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Okt 21, 2021 1037 0 Rosanne Pappas, USA
Begegnung

Eine Reise zum Haus der Gnade

Da bemerkte ich, dass ich meinem Sohn das Gleiche angetan hatte, wie mir  meine Mutter …

„Du bist wie die Samariterin“, sagte mein geistlicher Begleiter, als er für mich betete. Seine Worte erschütterten mich. „Ich bin wie die Samariterin?“ Er nickte.

Seine Worte schmerzten, aber die weisen braunen Augen zeigten viel Mitgefühl. Er war kein gewöhnlicher Geistlicher. Ich hatte mich über Jahre mit ihm getroffen und hatte durch ihn schwierige und außergewöhnliche Erfahrungen mit Gott gehabt. Jedes Mal wenn ich zu ihm kam, war das Wartezimmer vor seinem Büro voll mit Menschen aus der ganzen Welt, die von ihm gehört hatten und von ihm Heilung oder Beratung erwarteten. Dieser ruhige, bescheidene und heilige Mann war seit vielen Jahren Gottes Instrument und ich hatte unzählige Menschen hergebracht.

Auf dem Heimweg haderte ich mit seinem Vergleich. Die Samariterin? Ich hatte keine fünf Ehemänner gehabt und der Mann, mit dem ich lebte, war mein Ehemann. Und dann fiel es mir ein, dass ich vielleicht wie die Samariterin war, weil sie nach ihrer Begegnung mit Jesus in die Stadt lief, um allen zu erzählen, dass sie dem Messias begegnet war. Vielleicht war es das, was er gemeint hatte. Ich ahnte nicht, dass sein Vergleich prophetisch sein würde…

Vergeltung

Über die Jahre waren die Konflikte und Probleme im Haus eskaliert und ich endete in einer Therapie. Für alles Wissen über den katholischen Glauben hatte ich sehr wenig Selbstbewusstsein. Ich glaubte, dass ich gottesfürchtig war, weil ich eine fromme Katholikin war, die ein sakramentales Leben führte, und ich großzügig mit meiner Zeit und Hingabe umging. Obwohl ich Beichte an Beichte reihte, beging ich weiterhin immer wieder die gleichen Sünden. Viele meiner Beichten konzentrierten sich auf die Sünden meiner Mitmenschen, die mir am nächsten standen und darauf, wie sie sich ändern mussten. Sogar während der Predigten im Gottesdienst dachte ich mehr an die Menschen, die nicht da waren, aber die das hören sollten, was ich gerade hörte. Ich war mir sicher, dass ich rechtschaffen war und Gott auf meiner Seite hatte…

Durch die Therapie wurde vieles bei mir aufgedeckt. Ich hatte in einem Haus der Schande anstatt einem Haus der Gnade gelebt, und ich hatte die Menschen, die mir am nächsten standen, verletzt und unsere Beziehungen zerstört. Jeder Tag brachte Möglichkeiten zur Veränderung, aber es war nicht leicht.

„Kannst du für mich für ein bis zwei Stunden auf deine Schwester aufpassen? Ich muss Besorgungen machen“, fragte ich meinen Teenager-Sohn, der gerade erst von der Schule nach Hause gekommen war und die Stiege hochlief. In einem bösen Ton antwortete er: „Nein!“

Das war nicht, was ich erwartet hatte, und ich war außer mir. Ich wollte ihn zurechtweisen und ihm Vorwürfe machen auf der Ebene von `Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden! Du bist ein respektloses und undankbares Balg! Du bist das ganze Wochenende mit deinen Freunden unterwegs gewesen, und du kannst nicht einmal für ein bis zwei Stunden bei deiner Schwester bleiben? Wie selbstsüchtig von dir!´

Der Kampf mit meinem Ego war in vollem Gang. Hilf mir, Jesus, betete ich. Ich erinnerte mich an eine meiner ersten Therapie-Sitzungen. „Ignoriere deine ersten Impulse.“

Ich nahm einen tiefen Atemzug und lenkte meinen Fokus weg von mir selbst auf meinen Sohn. Ich konnte sehen, dass seine Reaktion auf mein Anliegen völlig überzogen war. Er war wütend. Es steckte mehr hinter seiner empörten Ablehnung und ich wollte wissen, was es war. „Du bist wirklich wütend. So bist du sonst nicht. Was ist los?“ fragte ich aufrichtig. „Es geht immer um mich, meine Brüder fragst du nie“, keifte er.

Die Stimme in meinem Kopf meldete sich dagegen, `Das stimmt nicht! Seine Brüder passen auf sie auf, wenn er nicht da ist. Er wirft mir vor, ungerecht zu sein, das ist nicht wahr!´

Jesus hilf mir, meinen Stolz und mein Ego zu dämpfen.

Meine Wangen röteten sich. Ich fühlte mich bloßgestellt und beschämt.

Will ich Recht haben oder möchte ich ihn verstehen und mit ihm verbunden sein, fragte ich mich. Tief im Innersten wusste ich, dass er Recht hatte. Er war derjenige, den ich immer fragte, weil ich glaubte, dass er am verantwortungsbewusstesten war.

„Du hast Recht, ich frage immer dich“, gab ich zu.

Seine Gesichtszüge wurden weich.

„Nun, das ist nicht fair.“ Seine Stimme war schwach und er wurde emotional.

„Du hast mich auf sie aufpassen lassen, als sie ein winziges Baby war, und ich war die ganze Zeit als du fort warst völlig fertig, weil ich total überfordert war“, sagte er.

Meine Gedanken schweiften zurück zu einer Erinnerung. Ich war noch sehr jung und alleine zu Hause mit meinen zwei Brüdern, die noch Babys waren. Ich erinnerte mich an die Panik, die ich empfunden hatte. Ich stand da, schaute zu ihm auf, geschockt von der Erkenntnis, dass ich ihm das gleiche angetan hatte wie meine Mutter.

„Erzähl mir davon“, bat ich behutsam.

Tief bewegt erzählte er, woran er sich erinnerte. Ich rückte näher an ihn heran.

„Das ist furchtbar. Ich hätte dich niemals in eine derartige Lage bringen dürfen. Meine Mutter hat das gleiche mit mir gemacht. Sie hielt mich für kompetenter als meine Geschwister, sie verließ sich völlig auf mich und brauchte mich für Dinge, für die ich niemals verantwortlich hätte sein dürfen. Es tut mir wirklich sehr Leid“, gab ich zitternd zu.

Voller Bedauern und Mitleid darüber, was ich ihm angetan hatte, nahm ich mir vor, etwas zu verändern.

Wahre Anbeter

Meine Erinnerung, wie ich mich als Kind gefühlt hatte, und das Eingeständnis meiner eigenen Wut gegenüber meiner Mutter und Geschwister halfen mir, die verborgenen Muster zu erkennen, wie ich mich ungerechterweise auf ihn verließ und seinen Brüdern das Wachsen in der Verantwortung verwehrte. Schlimmer noch, ich stellte fest, dass einige Aufgaben, für die ich seine Hilfe in Anspruch genommen hatte, Lasten waren, die für mich oder meinen Mann zu tragen bestimmt waren.

Entschlossen strengte ich mich an, die Verantwortlichkeiten gerechter aufzuteilen.

Unsere Beziehung verbesserte sich, und als der Druck abnahm, hegte er auch weniger Groll gegen seine Brüder.

Obwohl manche Konflikte mir auch weiterhin einen Spiegel vorhielten, wuchs durch die gesünderen Beziehungen mein Wunsch, mein Ego beiseite zu räumen, die Stimme der Anklage in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, und meine Schwächen und Fehler zu akzeptieren und aus ihnen zu lernen.

An einem Morgen nach dem Gottesdienst trat meine Schwägerin an mich heran: „Ich fand ein Zitat von einem Priester. Ich denke, dass es das zusammenfasst, was du meinst, wenn du sagst, dass du lernst, vom Haus der Schande zum Haus der Gnade umzuziehen“, sagte sie während sie durch ihr Handy scrollte.

„Hier, ich habe es gefunden“, sagte sie.

„Wenn die Menge deiner Spiritualität gleich ist der Menge an Wahrheit, die du über dich selbst ertragen kannst ohne wegzulaufen, ist das ein Zeichen tiefster Spiritualität. So geschieht die Transformation des Herzens. Nur die Wahrheit macht uns frei. Und dann werden wir wahre Anbeter des Herrn sein. Wir werden den Herrn im Geist und in der Wahrheit anbeten“, sagte sie.

„Ja! Das ist es. So viele Jahre dachte ich, dass alles, was ich zu wissen brauchte, die Wahrheit der Kirche war. Aber da ist eine andere Wahrheit, die ich brauche. Es ist eine Wahrheit, die ich nicht einfach sehen oder mir selbst eingestehen kann. Es ist der Kampf in meinem Herzen und meiner Seele eher in einem Haus der Gnade als in einem Haus der Schande zu leben. Und das kann ich nicht ohne Jesus tun“, erklärte ich.

Auf dem Heimweg wunderte ich mich, wo ich `Den Herrn im Geist und in der Wahrheit anbeten´ gehört hatte? Sobald ich zu Hause ankam, griff ich nach der Bibel und fand genau diese Worte am Ende der Geschichte der Samariterin. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Als Jesus ihr eine persönliche Wahrheit über sie enthüllte, bestätigte sie es anstatt es abzustreiten, öffnete das Schleusentor der Gnade. „Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias?“ (Joh 4,29)

Mein geistlicher Vater hatte Recht. Ich bin wie die Samariterin.

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Rosanne Pappas

Rosanne Pappas ist Künstlerin, Autorin und Rednerin. Sie inspiriert andere, indem sie persönliche Geschichten über Gottes Gnade in ihrem Leben teilt. Seit über fünfunddreißig Jahren verheiratet leben sie und ihr Ehemann in Florida und haben vier Kinder.

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