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Es gibt eine poetische Meditation des griechischen Schriftstellers Nikos Kazantzakis aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, die ich auf meinem Nachttisch habe.
Darin stellt er sich Christus als Teenager vor, der das Volk Israel von einem entfernten Berggipfel aus beobachtet und noch nicht bereit ist, sein Amt anzutreten – der aber dennoch schmerzlich empfindlich ist für die Sehnsucht und das Leiden seines Volkes.
Der Gott Israels ist mitten unter ihnen, aber sie wissen es noch nicht.
Als ich dies neulich meinen Schülern vorlas, sagte einer von ihnen nach dem Unterricht zu mir: „Ich wette, so fühlt sich Jesus jetzt auch.“
Ich fragte ihn, was er damit meinte. Er sagte: „Wissen Sie, Jesus sitzt da im Tabernakel, und wir gehen einfach vorbei, als wäre er gar nicht da.“ Seitdem habe ich in meinen Gebeten dieses neue Bild von Jesus, der im Tabernakel wartet und auf sein Volk schaut – und unser Seufzen, unser Flehen und unsere Schreie hört.
Wartend …
Irgendwie wählt Gott diesen Weg, um zu uns zu kommen. Die Geburt des Messias ist das wichtigste Ereignis der gesamten Menschheitsgeschichte, und doch wollte Gott, dass sie so still und leise stattfand, dass die Welt ihren Geschäften nachging, als wäre nichts geschehen. Ein paar Hirten bemerkten es, ebenso wie die Weisen aus dem Morgenland (und wir könnten sogar Herodes erwähnen, der es aus den falschen Gründen bemerkte!). Doch dann war das alles offenbar vergessen, zumindest eine Zeit lang.
Irgendwie muss das Warten etwas enthalten, das uns guttut. Gott entscheidet sich dafür, auf uns zu warten. Er entscheidet sich dafür, uns auf ihn warten zu lassen. Und wenn man so darüber nachdenkt, wird die ganze Heilsgeschichte zu einer Geschichte des Wartens.
Wir sehen also, es gibt dieses gleichzeitige Gefühl der Dringlichkeit: dass wir auf Gottes Ruf antworten müssen und dass wir seine Antwort auf unser Rufen brauchen, und zwar bald. „Antworte mir, Herr, wenn ich zu dir rufe“, sagt der Psalmist. Dieser Vers hat etwas so Dreistes an sich, dass er schon wieder charmant ist.
Es gibt eine Dringlichkeit in den Psalmen. Aber es gibt auch das Gefühl, dass wir lernen müssen, geduldig zu sein und zu warten – und dies in freudiger Hoffnung – und im Warten Gottes Antwort zu finden.
Pater Augustine Wetta O.S.B ist Benediktinermönch und dient als Kaplan an der Saint Louis Priory School. Er ist der Autor von „Der achte Pfeil“ und „Regeln der Demut“. Pater Augustinus lebt in der Abtei Saint Louis in Saint Louis, Missouri.
Lässt du dich von Gott noch umherschieben wie ein Möbelstück? Oder überlässt du Gott die Führung in deinem Leben - und tanzt gleitende und fließende Bewegungen? Das Geheimnis des Willens und der Führung Gottes kann man teilweise mit einem Walzertanz vergleichen. Was meine ich damit? Der Kick beim Walzertanzen besteht darin, dass der Herr seine Tanzpartnerin führt – bestimmt, aber auch gefühlvoll. Und die Dame sollte sich von ihrem Partner mit Freude und mit Leichtigkeit führen lassen. Eine gute Walzertänzerin erspürt schon die Richtung, in die der Mann sie führen will. Sie stellt sich darauf ein, denkt mit ihm mit und bereitet sich schon auf die Richtung vor, in die sie ihr Partner vermutlich lenken wird. So tanzt das Paar gleitende, fließende und schwungvolle Figuren. Das langsame Heben und Senken der Beine macht den Schwung – eine Bewegung, in die sich die Tänzer mit ihren ganzen Körpern hineinlegen. Wenn das nicht so ist und die Bereitwilligkeit der Partner fehlt, sehen die Drehungen des Paars eher mühsam aus. Ohne diese Leichtigkeit kann der Tanz manchmal wie eine Art Möbelrücken auf dem Parkett wirken. Bilder können uns die Qualität von Beziehungen verdeutlichen. Aber alle Vergleiche hinken auch etwas. Das Bild, das ich hier vorstelle, passt nicht auf alle Lebenssituationen. In Momenten schwerer Trauer und großen Schmerzes fühlt sich die Weggemeinschaft mit Gott gerade nicht wie ein Walzertanz an. Aber für viele Situationen kann dieses Bild vielleicht anregend sein. Das Tanzen ist eine freiwillige Sache. Für den Willen Gottes können wir uns in Freiheit entscheiden. Wenn wir uns Seiner Führung eigentlich überlassen wollen, dann ist es hilfreich, das möglichst entschieden zu tun. Mit ganzem Herzen, mit Freude und nicht halb zögerlich. Natürlich steht uns „unser alter Mensch“ manchmal im Wege. Im Bild des Tanzes ist Gott der Führende und jeder Mensch der Geführte. Der Tanz lebt auch daraus, dass sich die beiden wahrnehmen, in die Augen schauen und nicht nur angestrengt auf die Bewegungen achten. So möchte Gott nicht nur mit jedem von uns „arbeiten“, sondern uns bei allem in Freude „begegnen“ in einem tiefen Sinn des Wortes. Vielleicht kommt daher das paulinische Wort: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4) Auch wenn die Tanzbewegungen im Großen und Ganzen vorgegeben sind, so sind doch die Ausführungen sehr verschieden und kreativ möglich. Gott weiß, was in uns steckt und möchte es aus uns herauslocken, zur Freude und Stärkung aller. Gott hat gleichzeitig alle im Blick, die sich auf der Tanzfläche des Lebens bewegen, und führt einen jeden. Er hat auch die Musik erfunden und uns die Möglichkeit zu Gesang und Instrumentenspiel gegeben. Wie tief kann uns dies alles berühren und bewegen. Volles Leben eben. Wie lebst du deine Beziehung mit Gott? Lässt du dich noch schieben – oder tanzt du schon?
Von: Pater Bernhard Maria Konigorski
MehrIm chinesischen Boxeraufstand in den 1900er Jahren tötete fast 32.000 chinesische Christen und 200 westliche Missionare. Unter diesen hingebungsvollen Christen, die ihr Leben für ihren Glauben gaben, ragt der heilige Markus Ji Tianxiang heraus, denn zum Zeitpunkt seines Todes war er opiumsüchtig und hatte 30 Jahre lang keine Sakramente mehr empfangen. Ji wuchs in einer frommen christlichen Familie auf und war in seiner Gemeinde ein angesehener und wohltätiger Arzt. Doch das Schicksal wollte es so, dass das Opium, das er gegen ein lästiges Magenleiden einnahm, von ihm Besitz ergriff und er in kürzester Zeit süchtig wurde. Obwohl er häufig zur Beichte ging, war Ji in einer starken Sucht gefangen, der er sich in keiner Weise widersetzen konnte. Sein Pfarrer und Beichtvater sagte ihm schließlich, dass er die gleiche Sünde in der Beichte nicht mehr wiederholen könne. Die Beichte erfordert den bewussten Entschluss, zu bereuen und nicht mehr zu sündigen, und diese immer wiederholte Sünde wurde im 19. Jahrhundert noch nicht als eine Krankheit angesehen. Daher durfte er fortan die Sakramente nicht mehr empfangen, doch er ging weiter in die Kirche und blieb dem Weg des Herrn treu. Er hielt an seinem Glauben fest, weil er an einen barmherzigen Vater glaubte. Viele nahmen an, dass er der erste sein würde, der den Herrn verleugnete, als er mit Verfolgung konfrontiert wurde. Doch zusammen mit seinem Sohn, seinen Enkeln und Schwiegertöchtern blieb er bis zum Schluss standhaft. Tatsächlich spendete Ji seinen Mitchristen geistlichen Trost, als sie inhaftiert waren und auf ihre Hinrichtung warteten. Es wird berichtet, dass sein Enkel, als sie ins Gefängnis geworfen wurden, ihn zitternd vor Angst fragte: „Opa, wo gehen wir hin?" Er antwortete ruhig und jubelnd: „Wir gehen nach Hause." Und so ging er in den Tod und sang dabei die Lauretanische Litanei. Papst Johannes Paul II. sprach ihn im Jahr 2000 heilig.
Von: Shalom Tidings
MehrEin Baby hat irgendetwas an sich. Wenn ein Baby in einen überfüllten Raum gebracht wird, will es jeder sehen. Die Gespräche verstummen, Lächeln breitet sich auf den Gesichtern der Menschen aus und Arme werden ausgestreckt, um das Kind zu halten. Selbst der mürrischste und griesgrämigste Mensch im Raum wird sich dem Baby zuwenden. Menschen, die kurz zuvor noch miteinander gestritten haben, gurren und machen lustige Grimassen für das Kind. Babys bringen Frieden und Freude; das ist einfach ihr Ding. Die zentrale und immer noch beunruhigend seltsame Botschaft von Weihnachten ist, dass Gott ein Baby wurde. Der allmächtige Schöpfer des Universums, der Ursprung der Welt, die Quelle der endlichen Existenz, der Grund, warum es etwas und nicht nichts gibt - wurde zu einem Säugling, der zu schwach war, um seinen Kopf zu heben. Ein verletzliches Baby, das hilflos in einer Krippe liegt, aus der die Tiere fressen. Ich bin sicher, dass alle, die um die Krippe des Christuskindes herum waren - seine Mutter, der heilige Josef, die Hirten, die Heiligen Drei Könige - das taten, was alle Menschen in der Nähe von Babys tun: Sie lächelten und gurrten und machten lustige Geräusche. Und sie wurden noch enger zusammengeführt, gerade durch ihre gemeinsame Sorge um das Kind. Hierin sehen wir einen göttlichen Geniestreich. Während der gesamten Geschichte Israels war Gott bestrebt, sein auserwähltes Volk an sich zu binden und es in eine tiefere Gemeinschaft untereinander zu ziehen. Der ganze Zweck der Tora, der Zehn Gebote, der Speisegesetze im Buch Levitikus, der Predigten der Propheten, der Bundesschlüsse mit Noah, Mose und David und der im Tempel dargebrachten Opfer war lediglich die Freundschaft mit Gott und eine größere Liebe unter seinem Volk. Ein trauriges, aber durchgängiges Thema des Alten Testaments ist, dass Israel trotz all dieser Bemühungen und Einrichtungen von Gott entfremdet blieb: Die Tora wurde ignoriert, die Bünde gebrochen, die Gebote missachtet, der Tempel verdorben. Also beschloss Gott zu gegebener Zeit, uns nicht einzuschüchtern oder uns von oben Befehle zu erteilen, sondern ein Baby zu werden, denn wer kann schon einem Baby widerstehen? An Weihnachten schaute die Menschheit nicht mehr nach oben, um das Antlitz Gottes zu sehen, sondern hinunter in das Antlitz eines kleinen Kindes. Eine meiner geistlichen Heldinnen, die Heilige Thérèse von Lisieux, war als „Thérèse vom Kinde Jesu“ bekannt. Es ist leicht, diese Bezeichnung zu sentimentalisieren, aber wir sollten dieser Versuchung widerstehen. In ihrer Identifizierung mit dem Christuskind lockte Thérèse auf subtile Weise alle, denen sie begegnete, aus sich selbst heraus und in eine Haltung der Liebe. Wenn wir diese wesentliche Dynamik von Weihnachten verstehen, öffnet sich das geistliche Leben auf eine neue Weise. Wo finden wir den Gott, den wir suchen? Wir finden ihn am deutlichsten in den Gesichtern der Schwachen, der Armen, der Hilflosen, der Kinder. Es ist relativ leicht, den Ansprüchen der Wohlhabenden und Erfolgreichen zu widerstehen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass wir ihnen gegenüber Widerstände haben. Aber die Geringen, die Bedürftigen, die Schwachen - wie können wir uns von ihnen abwenden? Sie ziehen uns - wie ein Baby - aus unserer Selbstbezogenheit heraus und in den Raum der wahren Liebe. Das ist zweifellos der Grund, warum so viele Heilige - Franziskus von Assisi, Elisabeth von Ungarn, Johannes Chrysostomus, Mutter Teresa von Kalkutta, um nur einige zu nennen - zum Dienst an den Armen hingezogen wurden. Ich bin sicher, dass die meisten von denen, die diese Zeilen lesen, mit ihren Familien an Weihnachten zusammenkommen. Alle werden da sein: Mama und Papa, Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten, vielleicht Großeltern und Urgroßeltern, einige Freunde, die fern von ihrer Heimat sind. Es wird viel zu essen geben, viel Lachen, viele lebhafte Gespräche, höchstwahrscheinlich eine oder zwei heftige politische Diskussionen. Die Extrovertierten werden sich prächtig amüsieren; die Introvertierten werden das alles ein wenig schwieriger finden. Ich würde wetten, dass bei den meisten dieser Zusammenkünfte irgendwann ein Baby in den Raum gebracht wird: der neue Sohn, Enkel, Urenkel, Cousin, Neffe oder was auch immer. Dieses Jahr möchte ich Sie bitten, besonders aufmerksam darauf zu achten, was dieses Baby für eine magnetische Kraft auf die ganze bunte Truppe ausübt. Und dann erinnern Sie sich doch daran, dass der Grund, warum Sie sich überhaupt versammeln, der ist, das Baby, das Gott ist, zu feiern. Und schließlich: Lassen Sie sich von der besonderen Anziehungskraft dieses göttlichen Kindes anziehen.
Von: Bischof Robert Barron
MehrEine Hommage an Papst Franziskus Ein Jesuit – so geht ein Witz, den Papst Franziskus in seiner Autobiografie „Hoffe“ erzählt – wird mit einem Herzinfarkt in eine Klinik eingeliefert. Ängstlich fragt er Gott: „Herr, hat meine Stunde geschlagen?“ „Nein“, antwortet Gott, „du wirst noch mindestens 40 Jahre leben.“ Angesichts dieser Aussichten ist der Jesuit erleichtert. Um aus der Zeit, die ihm noch bleibt, das Beste zu machen, unterzieht er sich sogleich einer Reihe von Schönheits-OPs: Er lässt seine Falten straffen, Haare transplantieren, Fett absaugen und seine Zähne aufhellen. Als er das Krankenhaus dann wieder verlassen kann, überfährt ihn sogleich ein Auto – und er stirbt. Im Himmel beklagt er sich bei Gott: „Du hast mir doch gesagt, ich würde noch 40 Jahre leben!“ Gott betrachtet ihn genau und erwidert: „Oh, entschuldige. Ich habe dich gar nicht erkannt.“ Dass Jorge Bergoglio, dem ersten Jesuiten auf dem Stuhl Petri, das Schicksal widerfährt, im Himmel nicht erkannt zu werden, ist kaum zu befürchten. Denn Papst Franziskus, der von 2013 bis 2025 der katholischen Kirche vorstand, war ein unverwechselbares Original – und für seine Bescheidenheit und Demut bekannt. Eitelkeit und Klerikalismus waren ihm zuwider. Sein Papstname nach dem „Poverello“ aus Assisi war Programm. Von Beginn seines Pontifikats an bewies der Argentinier den Mut für notwendige Veränderungen und sorgte für eine pastorale Neuausrichtung der katholischen Kirche mit einer starken Betonung von Barmherzigkeit und dem Dienst an armen Menschen. Auch den Dialog mit der säkularen Welt scheute er nicht. Als neues Topos der lehramtlichen Verkündigung führte er mit seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ die Ausschließung von Menschen aus Wirtschaft und Gesellschaft ein – und setzte provokativ hinzu: „Diese Wirtschaft tötet.“ Mit seiner Enzyklika „Laudato si“ hinterließ er als erster Papst eine tiefgreifende Analyse der Umweltproblematik und der Verantwortung der Menschheit für den Klimawandel, die er in den Kontext der sozialen Gerechtigkeit stellte – was auch außerhalb kirchlicher Kreise breite Anerkennung fand. Dass der 266. Nachfolger des Apostels Petrus ausgerechnet am Fest der Auferstehung – am Ostermontag – des Jahres 2025 in die Ewigkeit geboren wurde, mag als weiteres Zeichen dafür angesehen werden, dass der Vater im Himmel ihn nun in seinen liebenden Armen birgt. Die deutschsprachige Redaktion von Shalom Tidings ist dankbar für die Zeit, die Gott durch Papst Franziskus seiner Kirche geschenkt hat. Er wird einen besonderen Platz in unseren Herzen behalten. Und wie er es sich gewünscht hat, werden wir weiter für ihn beten.
Von: Shalom Tidings
MehrFrüher einmal war unser Autor, Prof. Dr. Christian Müller, Atheist. Als wissenschaftlich denkender Mensch wollte er die Dinge dieser Welt nüchtern und unvoreingenommen analysieren. Mit Glaube und Dogmen, meinte er, hätten Nichtgläubige doch nichts zu tun. Erst viel später merkte er, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Seit meiner Jugend war ich Atheist. Unter dem Einfluss von Lehrern las ich die „Klassiker“ der Religionskritik – von Voltaire über Holbach bis hin zu Deschner. Religion hielt ich seitdem für erledigt. Ich wollte stattdessen auf der Seite „der Wissenschaft“ stehen. Ich wollte wissen und eben nicht glauben. Ich wollte die Dinge in dieser Welt vorurteilsfrei betrachten – und nicht „dogmatisch“ wie die Gläubigen. Menschen, die an Gott glauben, meinte ich nämlich, gehen mit Dogmen durch die Welt, die man notfalls auch gegen alle Fakten „blind“ glauben muss. Wir Atheisten dagegen, dachte ich, seien wissenschaftlich denkende Menschen, die die Gegenstände und Ereignisse in dieser Welt völlig leidenschaftslos, rational und unabhängig analysieren. Mit Glaube und Dogmen haben Nichtgläubige doch nichts zu tun. Erst viel später, als ich schon zum Glauben an Jesus gefunden hatte, stellte ich fest, dass es genau andersherum ist. Plötzlich geheilt Um ein Beispiel zu nennen: In Shalom Tidings erschien vor einiger Zeit die Geschichte von Karl Spiekermann. Karl ist ein Bekannter von mir aus Warstein im Hochsauerland. Vor einigen Jahren war er schwer an Leukämie erkrankt. Es ging dem Ende zu. Karl war praktisch austherapiert. Die Ärzte entließen ihn nach Hause, damit er dort im Hause seiner Familie und seiner Freunde sterben konnte. So lag er dort im Wohnzimmer und wartete auf den Tod. Karl erwartete, dass er vielleicht noch vier Wochen zu leben hätte – und dann wäre es das gewesen. Die Spiekermanns engagieren sich bis heute für Flüchtlinge. Sie haben viele Bekannte aus Syrien, Persien, Ägypten oder Afghanistan. Eines Tages klingelt ein ägyptischer Priester an der Tür und sagt: „Herr Spiekermann, Sie werden leben und nicht sterben.“ Und dann spendet ihm der Priester die Krankensalbung und reicht ihm die heilige Eucharistie. Ich kenne auch Karls Sohn, der dabei war. Er sagt: „Ich dachte, der Papa kann das gar nicht schlucken.“ Aber irgendwie ging es doch, er bekam die Hostie herunter. Und Karl sagt heute: „In diesem Moment habe ich gewusst: Ich bin geheilt.“ Eine eigentlich unglaubliche Geschichte: Karl merkte sofort, wie Kraft in seinen Körper kam. Vier Wochen später war er nicht – wie erwartet – tot, sondern konnte wieder Holz hacken. Heute ist er wieder vollkommen gesund. Ich habe erst kürzlich mit ihm telefoniert. Dogma Wie geht ein Atheist mit so einem Heilungsbericht um? Ein Atheist sagt (ich hätte seinerzeit gesagt …): So etwas kann es nicht geben! Das ist alles dummes Zeug! Es gibt keinen Gott, es gibt keine Wunder, so etwas passiert nicht! Ein Atheist geht, mit anderen Worten, mit einem Dogma an solche Berichte heran – mit dem Glauben, dass es Übernatürliches nicht geben kann. Ein Christ dagegen wird die Sache ganz unvoreingenommen analysieren: Er sieht sich den Bericht des behaupteten Wunders an und prüft, ob er ihn für überzeugend hält oder nicht. Überzeugt ihn der Bericht, nimmt er ihn als wahr an; überzeugt er ihn nicht, lässt er es eben sein. Nichts jedoch zwingt ihn, die Geschichte als wahr anzunehmen. Er ist völlig frei in seiner Einschätzung. Das Dogma der angeblich Undogmatischen ist auch einer der Gründe für die moderne Kritik an der Bibel: So durchforstete etwa der berühmte Bibelkritiker Rudolf Bultmann jahrelang akribisch die Heilige Schrift, um alles das herauszustreichen, was an ihr „unhistorisch“ sein müsse und was nicht. Denn, so Bultmann: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparate benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ Aber warum kann man das nicht? Ein Argument für diese Behauptung sucht man bei Bultmann vergeblich. Was man indes findet, ist eine Glaubensüberzeugung. Wer so redet, macht sich selbst und seine eigene Vorstellungskraft zum Wahrheitskriterium, nicht aber den tatsächlichen Gang der Dinge. Mit dieser Vorentscheidung jedoch schließt er a priori – dogmatisch – die Möglichkeit aus, dass die Wirklichkeit uns darüber belehrt, was tatsächlich vorliegt und was nicht. Ob ein Wunderbericht für wahr gehalten wird oder nicht, hängt damit nicht länger vom tatsächlichen Geschehen ab, sondern von einem subjektiven Vorurteil darüber, ob das Behauptete für den betreffenden Forscher „denkbar“ ist. Eine erstaunliche Vorstellung Niemand hat den Dogmatismus des theoretischen oder praktischen Unglaubens in der Moderne schärfer karikiert als Gilbert K. Chesterton (1874-1936), der Vater der berühmten Pater-Brown-Geschichten. Erst als Erwachsener war er zum katholischen Glauben konvertiert und verteidigte diesen fortan in theologischen Streitschriften so überzeugend, dass ihm Papst Pius XI. den Titel eines „Fidei Defensor“ („Verteidiger des Glaubens“) verlieh. Über den Dogmatismus der Atheisten schreibt Chesterton: „Irgendwie hat sich die erstaunliche Vorstellung herausgebildet, dass diejenigen, die nicht an Wunder glauben, sie kühl und objektiv betrachten, während diejenigen, die an sie glauben, dies nie ohne Berufung auf ein Dogma tun. Tatsächlich verhält es sich genau andersherum. Die letzteren akzeptieren sie (zu Recht oder Unrecht), weil sie Beweise haben. Die ersteren bestreiten sie (zu Recht oder Unrecht), weil sie mit einem Lehrsatz gegen sie antreten.“ Als Atheist hätte ich Karls Geschichte nie annehmen können – denn mein Glaube hätte mich daran gehindert. Als Christ hingegen zwingt mich kein vorgefasster Glaube, die Fakten zu übersehen: Nach meiner Einschätzung ist Karl ein ernstzunehmender Mann. Ich kenne seinen Sohn und seine Frau, die seine Heilung persönlich erlebt haben. Beide bestätigten mir den Sachverhalt. Es gibt also sogar Zeugen für Karls Bericht. So kam ich persönlich – und ganz undogmatisch! – schließlich zu der Überzeugung, was Karls Geschichte ist: Sie ist glaubhaft und nicht weniger als ein tatsächliches Wunder Gottes. Recommended reading: Gilbert Keith Chesterton, Orthodoxy: A Handbook for the Unbeliever, Kisslegg (Fe-Medien) 2022.
Von: Christian Müller
MehrMichael Hanuschik suchte lange nach Antworten auf die Fragen des Lebens. Bis Gott selbst bei ihm anklopfte. Gibt es Gott wirklich? Kann man ihn persönlich erfahren? Das waren die Fragen, die mich als Jugendlicher umtrieben. Denn ich spürte ihn nicht. Ich war zufrieden mit der Welt, aber irgendwie auch nicht. Ich suchte Antworten auf viele Fragen, fand aber keine. Ich nahm nichts richtig ernst, wollte es aber eigentlich auch nicht. Nicht drin Ich war katholisch aufgewachsen – oder, wie man heute etwas herablassend sagt: konservativ – in einer Familie mit sechs Geschwistern. Meine Eltern schenkten mir eine religiöse Erziehung, doch leuchtete sie mir nicht immer ein. Ich ging nur aus Pflichtgefühl zur Kirche und weil es so erwartet wurde. Mit den Predigten sonntags konnte ich wenig anfangen. Klar, ich war sogar Messdiener, aber nur bis zur Firmung, denn von da an schien es mir nicht mehr „schick“ zu sein. Beten aus eigenem Antrieb war mir fremd, ich betete allenfalls mit. Ich war im Glauben eben nicht drin. Aber schon bald sollte sich alles ändern. Denn Gott meldete sich. Mein älterer Bruder hatte einige Freunde, die mit ihm an derselben Uni studierten. Mit einem von ihnen entwickelte sich eine dicke Freundschaft. Er war ein sympathischer, lustiger, aufgeschlossener, einfacher Kerl – mehr als nur ein Kumpel, mit dem man gerne zusammen war. Auffällig war für mich, dass er immer so ausgeglichen und froh war. Er lebte in einem Haus des Opus Dei, einer katholischen Gemeinschaft, der er sich vor längerer Zeit angeschlossen hatte. Es war ein gemütliches, familiäres und einladendes unscheinbares Haus, an dessen Klingel „Bildungszentrum“ stand. Auch die anderen, die mit ihm wohnten, lernte ich schnell kennen. Besonders beeindruckte mich der schönste Raum im Haus: eine kleine Kapelle – still, einladend und anziehend zum Verweilen. Meine „Entdeckung“ Ein Priester, der auch dort wohnte, zog mich besonders an. Er konnte auf ganz einfache und natürliche Art den Glauben erklären und nahm sich sogar extra Zeit für mich. Ich fühlte mich willkommen. Das lag auch daran, dass dort untereinander immer eine fröhliche Atmosphäre herrschte. Mit der Zeit bekam ich viele Impulse für meinen Glauben. Ganz entscheidend war dabei die „Zeit des Gebetes“, ein beschauliches freies persönliches Sprechen mit Gott, das dort jeder praktizierte. Mir war das fremd. Ich kannte nur die üblichen fest formulierten Gebete und hatte noch nie länger an einem Stück gebetet. Mir wurde klar, dass ich auch total offen und einfach ganz persönlich mit Jesus sprechen kann – eine Entdeckung, die mich faszinierte, aber manchmal auch enttäuscht zurückließ, wenn ich keine Lust dazu hatte. Man hatte mir gesagt, dass, wenn ich täglich eine Zeit des Gebetes einhielte, ich in eine persönliche, lebendige Beziehung zu Ihm kommen würde. Doch irgendwie klappte es nicht. Bei mir war es alles andere als lebendig. Es fehlte das Bild meiner Lebensbestimmung, was aber bald von Gott fertig gemalt werden sollte. „Ich brauche dich, mach mit“ Jedes Jahr findet in der Karwoche ein Treffen mit vielen Gruppen aus verschiedensten Ländern in Rom statt, das Gläubige und Freunde des Opus Dei organisieren. Ich entschloss mich, mitzufahren. Und ich würde nicht enttäuscht: Den Glauben authentisch mit dem Papst und der Gesamtkirche zu erleben – das gefiel mir. Die vielen Jugendlichen, die in diesen Tagen den Glauben mit dem Papst feierten, beeindruckten mich. Auch die lauen Abende eignen sich gut für persönliche Gespräche. Endlich machte es „Klick“. Ich begann, Gott zu spüren. Und Er wollte etwas von mir! Ich hörte ihn ganz klar: „Arbeite mit!“ Es war keine große Bekehrungsgeschichte, nur dieses kleine Anklopfen: „Ich brauche dich, mach mit!“ Und das tat ich: Damals, mit 19 Jahren, schloss ich mich dem Opus Dei als Assoziierter an. Das sind zölibatäre Gläubige, die aus allen Berufen kommen und ganz für Gott leben wollen. Dieser Ruf bestimmte von da an mein Leben. Natürlich hatte ich Angst, mich ganz – wirklich ganz! – auf Gott einzulassen. Aber ohne Angst vor dem Großen kann es auch nicht echt sein. Mein Gebet war auf einmal lebendiger, ich freute mich sogar darauf, mit Ihm oft zusammen zu sein, um alles mit Ihm zu besprechen – alles, was mich bewegte! Endlich hatte ich sie: eine wirklich lebendige Beziehung zu Ihm. Man kann denken, im Liebesfluss Gottes zu schwimmen, sei vielleicht heikel und suspekt; man könnte meinen, dass man bei einem Leben mit Gott auch etwas verlieren könnte. Doch ganz im Gegenteil: Mit Gott kann man nur gewinnen, weil man mit Ihm seine Liebe gewinnt. Es ist schon kurios: Die Liebe Gottes strömt andauernd, denn ich werde von Gott immer geliebt! Er hat mich ins Dasein gerufen! Da Gott uns als freie Geschöpfe haben will, fordert er uns heraus, in seinen Liebesfluss einzutauchen! In völliger Freiheit bietet mir Gott seine Liebe an. Es geht in meinem Leben schlicht und ergreifend um diese einzigartige Liebe. „Du, mein Gott, und ich! Wir beide! Dabei sollst Du die Hauptrolle spielen, denn ohne Dich wäre ich nicht! Du hast mich aus Liebe gewollt, wo ich bin und wie ich bin! Danke, Herr, für dieses Riesengeschenk!“ Feuer In dem Bestseller „Der Weg“ des hl. Josemaría Escrivá heißt es: „Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. – Sei nützlich. – Hinterlasse eine Spur. – Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe. … Entzünde alle Wege der Erde mit dem Feuer Christi, das du im Herzen trägst.“ So wollte ich künftig leben! Die Brücke, sich Gott zu nähern und sich auf Ihn einzulassen, ist Jesus. ER hat Entscheidendes für mein Leben gesagt: dass er Gottes Sohn ist und unter den Menschen bleibt. Muss das nicht Folgen für jeden einzelnen Menschen haben? Ist das nicht relevant für mein eigenes Leben? Welche Konsequenzen ergeben sich eigentlich, wenn ich Gott links liegen lasse? Was für eine andere Dimension eröffnet sich, wenn man sich auf Gott einlässt: wenn man mit ihm lebt! Zugegeben: Ich brauche dazu eine dicke, fette Portion Demut! Ohne Demut kann ich nicht glauben. Ohne Demut kann ich Gott nicht lieben. Der beste Therapeut Oft kommt es aus mir heraus und ich sage Ihm mit einer inneren Vertrautheit und Freude: „Du hast mich gewollt und mir das Dasein geschenkt. Ich werde von Dir geliebt – von Dir, Du allmächtiger und erhabener Gott! Ich bin Dein Kind – Kind Gottes! Wir beide, was machen wir jetzt daraus? Bist Du, mein Gott, nicht ein wahnsinnig guter Therapeut für mich?“ So kann beschauliches, lebendiges einfaches Sprechen mit Gott sein. Wer so vertraut mit Ihm spricht und Ihm täglich alles erzählt, kommt zu einer persönlichen Beziehung zu Ihm. Alles, was ich tue, wo ich mich bewege, alle menschlichen Begegnungen, die ich habe in Familie und Arbeitsplatz, bespreche ich mit Ihm in der „Zeit des Gebetes“ – meiner ganz persönlichen Zeit mit Ihm! Das prägt alles weitere. Wir beide arbeiten zusammen. Wenn ich heute mit 64 Jahren zurückblicke, ist dies das Beste, was mir passieren konnte! Seine Liebe zu spüren, wozu Er mich bestimmt hat und für Ihn zu „arbeiten“, ist immer das Beste! Gott ist in meinem Leben. Was ist das für ein Glück!
Von: Michael Hanuschik
MehrEs waren nicht die Nägel, die Jesus am Kreuz hielten, es war die Liebe. Manchmal kommt mir mein Leben mit Gott wie eine Schiffsreise vor. Keine Reise mit einem Kreuzfahrtschiff, nein, es ist eher eine Reise mit einem größeren Segelschiff. Aber gelegentlich scheint es mir auch so, als säße ich auf tosender See in einem Ruderboot ohne Ruder … und Jesus … der liegt wie in der Bibelgeschichte einfach da und schläft. Ich kann ihn nicht wecken und habe den Eindruck, ihn kümmere der ganze Sturm nicht. Doch nach einiger Zeit beruhigt sich dann der Sturm, Jesus steht gemächlich auf, strahlt mich an und sagt: „Hier wollte ich mit dir hin! Diesen Hafen schauen wir uns mal genauer an, denn ich glaube es war ganz schön stürmisch für dich. Es wird Zeit, dass du etwas begreifst!“ Das Kreuz Von einem dieser Häfen, an dem ich jeweils einen Aspekt unseres Glaubens tiefer begreifen durfte, möchte ich hier erzählen. Es ist der Hafen „Kreuz“. Das Kreuz – es ist das Symbol der Christen! Doch vor dem Kreuz der katholischen Kirche, dem Kruzifix, an dem Jesus als Gekreuzigter zu sehen ist, hatte ich bis dahin so etwas wie eine Abneigung. Der Tod ist doch besiegt, war mein Gedanke, Jesus hängt dort doch gar nicht mehr! Ich wollte lieber das leere Kreuz sehen, am liebsten ein Kreuz, vor dem der auferstandene Jesus mit einer Siegesfahne in der Hand steht. Solch ein Kreuz bekam ich tatsächlich vor vielen Jahren geschenkt, ohne dass die schenkende Person von meinem Wunsch wusste. Im Jahr 2020, als ich den Hafen „Kreuz“ besuchen durfte, sollte sich meine Einstellung radikal ändern. Es war ein Tag kurz vor den Sommerferien. An diesem Tag machte ich einen großen Fehler. Ja, ein „Fehler“, das klingt schöner, aber eigentlich muss ich sagen, es war eine Sünde. Andere hätten sich vermutlich keine großen Vorwürfe wegen eines solchen Fehlers gemacht, doch auf meinen Schultern lag plötzlich eine schwere Last. Es ging mir so schlecht damit, aber es war geschehen und ich konnte nichts mehr rückgängig machen. Die Gedanken daran quälten mich sehr, und ich konnte nicht aufhören über diese Sache nachzudenken. Erst wenige Tage war es her, dass ich nach 40 Jahren wieder zur Beichte gefunden hatte, und ich hätte nicht vermutet, wie schnell ich wieder vor meinem verständnisvollen, wunderbaren Beichtvater sitzen würde. Doch auch wenn ich wusste, dass mir nun vergeben war, ließen mich die quälenden Gedanken noch nicht los. Meine Nägel in seinem Kreuz Einige Tage später fuhr ich mit meinem jüngsten Sohn in den Urlaub nach Österreich. Wir niederrheinischen Flachländer hatten uns vorgenommen einen Dreitausendergipfel zu besteigen. Die Vorfreude wurde an diesem sonnigen Urlaubstag jedoch von den dunklen Schatten meines Fehlers geschwärzt. Auf den letzten Kilometern mit dem Bus durchquerten wir mehrere kleine österreichische Dörfer. Ich schaute betrübt, den Kopf an die Scheibe gelehnt, aus dem Fenster. In jedem Dorf stand mindestens ein riesiges Kreuz, an dem Jesus hing: mit ausgestreckten Armen, dicken Nägeln in Händen und Füßen, das große Leid sprach ihm aus dem Gesicht. Es waren viele Dörfer, durch die ich fahren musste, und immer wieder sah ich Jesus am Kreuz hängen. Immer wieder diese Nägel und dieses Leid. Mit jedem weiteren Kreuz, das ich sah, wurde mir schwerer ums Herz. Und mit einem Mal bekam ich Schweißausbrüche, und mir stiegen Tränen in die Augen. Ich war total bestürzt, denn mir war plötzlich so, als wäre ich diejenige, die die Nägel durch seine Hände und Füße schlägt. Ich sah plötzlich, dass Jesus auch wegen mir so litt, nicht nur wegen dieser einen Sünde, die mir gerade geschehen war, sondern auch wegen der unendlich vielen „vermeintlich kleinen“ Sünden, die mir immer wieder geschehen – wegen all der Dinge, die ich nicht tue, obwohl ich sie tun könnte, wegen aller Lieblosigkeit, wegen allem Um-mich-selber-Kreisen und wegen allen ungenutzten Gelegenheiten, und mir wurde bewusst, wie oft ich Gottes Willen übersehe und nicht tue – und wie oft ich mich auch bewusst darüber hinweg gesetzt hatte. Mir wurde plötzlich klar, wie unendlich nötig ich es hatte, und zwar Tag für Tag aufs Neue, dass Jesus diesen Weg gegangen ist. Mir war plötzlich so klar, dass er den Weg ans Kreuz auch für mich gemacht hat. Ja, das, was ich eigentlich schon lange in meinem Kopf wusste, war mir an diesem Tag endlich so richtig tief ins Herz gedrungen. Es war zur persönlichen Wahrheit geworden. Er ist tatsächlich für mich gestorben. Er hat mich freigekauft, er hat sooo teuer für mich bezahlt: mit seinem Leben. Eine Liebe, die alles gab Und ich? Ich bin frei! Ich bin freigeliebt! Mit unfassbarer Liebe, mit einer Liebe, die sich komplett hingegeben hat – freigeliebt! Wenn ich nun auf den gekreuzigten Jesus schaue, sehe ich vor allem eine unfassbar große Liebe, eine Liebe die ALLES gab – für mich. Diese Liebe ist das Ausrufezeichen, das Alpha und das Omega. Durch dieses Begreifen kam eine ganz neue Liebe zu Jesus in mein Herz. Vor lauter Dankbarkeit und vor lauter Ergriffenheit hätte ich in den Wochen darauf am liebsten jeden Jesus am Kreuz umarmt und geküsst – und manchmal habe ich es, wenn es keiner sah, sogar getan. Und bei fast jedem Kreuz, das ich in den Wochen darauf sah, stiegen mir vor lauter Dankbarkeit, Liebe und Freude Tränen in die Augen. Heute, einige Jahre später, erschrecke ich mich fast, wenn ich merke, dass ich ohne große Regung zum Kreuz und zum Gekreuzigten schaue. Es ist die Liebe, die Jesus am Kreuz hielt, nicht die Nägel. Und ich möchte nie vergessen, wie groß seine Liebe ist. Ich möchte den Tag nie vergessen, an dem er für mich starb. Ich möchte immer wieder neu darüber staunen, mich davon überwältigen lassen, dass Jesus sein Leben in so tiefer und selbstloser Liebe hingegeben hat: für mich, für dich, für uns! Dass er für uns dieses grausame Leid getragen hat und immer wieder neu trägt. Damit unser Weg zu Gott frei ist und wir ihn Vater nennen können. Damit wir ewiges Leben haben. Er möchte uns immer wieder neu befreien, von unseren Sünden und von allem, was uns von Gott trennt. Von allem, was uns Wunden geschlagen hat, und von allen Dunkelheiten in unserem Leben. Er möchte uns in seiner unendlichen Liebe zur Liebe befreien. Ein fester Hafen Das Kreuz ist mir seit dieser Zeit ein fester Hafen geworden, an dem ich gerne vor Anker gehe. Hier begegne ich seiner Liebe, die meine Liebe und Dankbarkeit entfacht. Hier finde ich Vergebung, Freiheit und stille Freude. Ja, ich möchte immer wieder neu berührt sein, wenn ich auf das Kreuz schaue. Und ich wünsche mir, dass wir mit leeren Händen vor dem Kreuz stehen können und dieses unfassbar überwältigende, persönliche Geschenk annehmen und auspacken können.
Von: Barbara B.
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