Startseite/Begegnung/Artikel

Mrz 27, 2021 646 0 Sr. Josephine Garrett
Begegnung

Der unbezahlbare Schatz

Beginne heute neu und verändere dein Leben für immer!

All diese Jahre

Vor kurzem legte ich meine ewigen Gelübde als Schwester von der Heiligen Familie von Nazareth ab, nach neun Jahren der Ausbildung. Als ich während der Feier die Kommunion empfangen hatte, überkam mich ein tiefes Gefühl der Rührung und Dankbarkeit. In diesem Moment war mir, als würde Gott mir das Geschenk machen, dass ich ganz präsent sein darf für alles, was er in den Jahren in mir gewirkt hatte. Alle Gaben und Gnaden aus jedem Gebet, jeder Beichte, jedem Empfang der Eucharistie standen mir vor Augen. Die beständige und beharrliche Liebe Gottes ließen mich nur staunen. Während ich im Gebet kniete, dachte ich darüber nach, dass ich sicher eine der unwahrscheinlichsten Kandidatinnen für eine Braut Christi war, aber für Gott ist nichts unmöglich.

Ich war in Houston, Texas, im baptistischen Glauben aufgewachsen. Mit acht Jahren verlor ich meinen Vater. Er nahm sich das Leben, nachdem er jahrelang mit seiner Sucht gekämpft hatte. Weil meine Mutter nicht in der Lage war, sich um uns zu kümmern, wurden meine Brüder und ich von meiner Tante und meinem Onkel adoptiert. In den nächsten zehn Jahren schenkten sie uns eine Beständigkeit und Stabilität, die ich vorher nicht gekannt hatte. Ich ging auf gute Schulen, las Bücher, spielte Fußball, sang im Kirchen- und Schulchor und durfte in vielerlei Hinsicht ein normales Kind sein.

Mit achtzehn Jahren brachte mich eine Broschüre über eine Schule in Dallas, Texas für „unabhängige Denker“ an die University of Dallas, wobei mir die Tatsache völlig entging, dass es eine katholische Schule war. Einen großen Teil meiner vier Jahre auf dem College habe ich mit sündigen Verhaltensweisen verschwendet, weil ich den Schmerz meiner alten Wunden betäuben wollte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dem Schmerz des Verlustes umgehen sollte. Zur gleichen Zeit erhielt ich an der University of Dallas eine Gewissensbildung. Ich verbrachte ein Semester in Rom und begegnete dem heiligen Papst Johannes Paul II, den ich sehr liebte. Wenn er über Gott sprach, fand das bei mir einen tiefen Widerhall. Ich trat einem lateinischen Kirchenchor bei und wurde durch das Singen von Hunderten von Messen mit der Heiligen Messe vertrauter.

Erschaffen für eine andere Welt

Nach meinem Abschluss bestand mein Leben hauptsächlich aus Arbeit tagsüber und Abhängen in Bars mit Freunden am Abend. Irgendwann merkte ich, dass etwas fehlte, denn „wenn es in mir ein Verlangen gibt, das keine Erfahrung in dieser Welt stillen kann, ist die wahrscheinlichste Erklärung, dass ich für eine andere Welt geschaffen bin.“ Also, beschloss ich mich um einen tieferen Glauben zu bemühen. Ich hatte den Wunsch, mehr wie die frommen Frauen zu sein, die mich erzogen hatten. Als es an der Zeit war zu wählen, in welche Kirche ich gehen wollte, fand ich zu meiner Überraschung, dass ich großen Hunger nach der Messe hatte. Ich zögerte jedoch, katholisch zu werden, da es so wenige schwarze Amerikaner in der Kirche gab. Letztendlich brachte mich der Wunsch, Jesus in der Eucharistie zu empfangen, in die Kirche.

Als ich erst einmal katholisch war, war deswegen die Welt noch lange nicht in Ordnung. Ich frönte immer noch sündigen Verhaltensweisen, mit dem Unterschied, dass ich jetzt ständig zur Beichte lief. Ich kämpfte, sowohl emotional als auch geistlich. Ich brachte mich zwar geistlich fast um (auch körperlich, mit einem Gewicht von fast 200 Kilo), erreichte dennoch berufliche Höhen, die ich mir nie erträumt hatte. Inmitten meines Schlamassels kehrte ich nach Rom zurück und ging zur Beichte und Messe im Petersdom. Der Rat meines Beichtvaters „einfach anzufangen“ hat alles verändert. Innerhalb des Jahres entschied ich mich für eine religiöse Berufung, und drei Jahre nach dieser Beichte trat ich als Kandidatin bei den Schwestern von der Heiligen Familie von Nazareth ein.

Eine Liebesaffäre

Elf Jahre nach dieser Beichte sagte ich Ja zu Jesus, auf eine Art, die ich vor elf Jahren nicht für möglich gehalten hatte. Meine Wunden und mein Scham ließen mich einen allzu häufigen Fehler begehen; C.S. Lewis erklärt es treffend: „Wir sind halbherzige Geschöpfe, die mit Alkohol und Sex und Ehrgeiz herumspielen, während uns eine grenzenlose Freude angeboten wird; wie ein dummes Kind, das weiterhin Schlammkuchen im Sandkasten backen will, weil es sich nicht vorstellen kann, was ein Urlaub am Meer bedeutet. Wir sind viel zu leicht zufrieden zu stellen.“ Ich gab mich nicht nur allzu leicht zufrieden, ich machte auch den Fehler, mein Leben im Licht des Kampfes zu sehen, statt im Licht des Einen, der mich liebt.

Während meines Postulats, gab mir eine Schwester in ihren Siebzigern eine Lektion über das geistliche Leben. Sie sagte: „Ich liebe mein Alter. Ich möchte nicht jünger sein, und ich möchte nicht zurückkehren. Ich habe all diese Jahre mit Jesus. Ich besitze all diese Erfahrungen. Das würde ich für nichts eintauschen wollen.“ Sie hatte sicherlich Verluste und Niederschläge erlebt und mit der Sünde gekämpft. Doch in allem war die beständige Liebe zu Jesus zu sehen und das verwandelte ihr Leben in eine Liebesgeschichte mit Jesus, was ein unbezahlbarer Schatz war.

Die Gabe der Tränen

Am Tag meiner ewigen Profess hatten meine Tränen etwas Trauer in ihnen, vermischt mit einem Gefühl von Freude und Dankbarkeit. Während meines ganzen Lebens in der ich Verlust, Schmerz, Kampf und Sünde kannte, war auch die Freude unvermeidlich, wegen der aufopfernden Liebe Christi, die heute in der Eucharistie gegenwärtig ist. Ich habe gelernt, dass das letzte Wort in unseren Geschichten Christus selbst ist. Der heilige Johannes sagt: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben … das verkünden wir”.

Meine Tränen an dem Tag meiner ewigen Profess waren ein Zeugnis für die beständige Liebe Christi, komme was wolle, durch all die Jahre.

Teilen:

Sr. Josephine Garrett

Sr. Josephine Garrett absolviert eine Ausbildung zur Klinischen Mentorin. Zehn Jahre lang war sie die Vizepräsidentin der Abteilung für Wohnungsbaudarlehen der Bank of America. Im Jahr 2005 trat sie in die katholische Kirche ein und begann 2011 ihre Ausbildung zur Ordensschwester bei den Schwestern von der Heiligen Familie von Nazareth. Heute ist Schwester Josephine in der Berufungspastoral tätig und arbeitet auch als Referentin bei Einkehrtagen und Konferenzen für Jugendliche und junge Erwachsene.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Artikel