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Sep 15, 2022 709 0 Bischof Robert Barron, USA
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Worte der Weisheit

Warum es eine schlechte Idee ist, das zu tun, was in den eigenen Augen richtig ist

Was sagt die Bibel zu unserer gegenwärtigen kulturellen Faszination, beachtet zu werden, uns durchzusetzen, und die Dinge nach unserem eigenen Gutdünken zu tun? (Übrigens: Wenn du daran zweifelst, dass diese Einstellung heute vorherrschend ist, lade ich dich ein, dir einen beliebigen Film anzusehen, oder dir irgendein populäres Lied zu hören oder irgendeinen Blog oder Facebook-Eintrag zu lesen). Ist die Bibel für oder gegen diese ego-dramatische Lebenseinstellung? Ich schlage vor, dass wir einen Blick auf das Ende des Buches der Richter werfen, einen Text, der von so viel Mord, Chaos und Schandtaten geprägt ist, dass Martin Scorsese oder Quentin Tarantino daneben verblassen.

Nach dem Tod Samsons, des letzten Richters Israels, gerieten die Stämme, wie wir erfahren, in Uneinigkeit und begannen, einander schockierende Gewalt anzutun. Die bemerkenswerteste und offen gesagt abscheulichste Geschichte in einem Buch, das voll mit solchen Geschichten ist, betrifft den Frevel von Gibea. Wir hören von einem Mann aus Ephraim im Norden, der sich eine Konkubine aus Bethlehem im Süden genommen hatte. Als die Frau entkam und nach Hause zurückkehrte, verfolgte der Mann sie und nahm sie wieder in seinen Besitz. Dann machte er sich mit ihr auf den Weg und kam in die Stadt Gibea. Es heißt, dass „übles Gesindel“ aus der Stadt in dieser Nacht das Haus umzingelte. In Anlehnung an die berüchtigte Geschichte aus dem Buch Genesis rief der Mob dem Hausherrn zu: „Bring den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist, damit wir mit ihm Sex haben können“. Mit erstaunlicher moralischer Verworfenheit antwortete der Besitzer des Hauses: „Da ist meine jungfräuliche Tochter und seine Nebenfrau. Sie will ich zu euch hinausbringen; ihr könnt sie euch gefügig machen und mit ihnen tun, was euch gefällt. Aber an diesem Mann dürft ihr keine solche Schandtat begehen.“ Daraufhin stießen sie die Konkubine nach draußen, und die Männer, so erfahren wir munter, „missbrauchten sie und trieben die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen ihren Mutwillen mit ihr. Sie ließen sie erst gehen, als die Morgenröte heraufzog“.

Völlig gleichgültig gegenüber ihrem Leid und ihrer Erniedrigung setzte der Mann sie am nächsten Morgen auf sein Lasttier und machte sich auf den Weg nach Ephraim. Als er zu Hause ankam, „nahm er ein Messer, ergriff seine Nebenfrau, zerschnitt sie in zwölf Stücke, Glied für Glied, und schickte sie in das ganze Gebiet Israels“. War sie tot, als er sie an jenem Morgen fand? Starb sie auf dem Weg dorthin? Hat er sie getötet? Wir erfahren es nicht, was den Schrecken der Erzählung nur noch verstärkt. Als die schreckliche Nachricht in ganz Israel bekannt wurde, versammelten die Ältesten ein Heer und griffen die Stadt Gibea an, wobei sie das Volk niedermetzelten.

Warum erzähle ich nun diese schreckliche Geschichte? Obwohl es viele Anwärter für den Grausamkeits-Award gibt, glaube ich, dass diese grauenvolle und schauderhafte Episode den Tiefpunkt des in der Bibel beschriebenen menschlichen Verhaltens darstellt. Wir haben Grausamkeit, rohe körperliche Gewalt, völlige Missachtung der Menschenwürde, sexuelle Unmoral, Vergewaltigung, gemeinschaftlichen sexuellen Missbrauch der schlimmsten Art, Mord, Verstümmelung und Völkermord. Nebenbei bemerkt bin ich immer etwas amüsiert, wenn einige Christen mich vorwurfsvoll kritisieren, weil ich Filme ansehe und diese in einigen Fällen auch weiterempfehle, in denen Gewalt und Unmoral anschaulich dargestellt werden. Ich frage mich: „Haben diese Leute überhaupt jemals die Bibel gelesen?“ Wenn die Bibel im Film ehrlich dargestellt würde, bekäme der Film mindestens ein „R“-Rating (Anm.: „freigegeben ab 17 Jahren“). Eine der großen Tugenden der Heiligen Schrift ist, dass sie brutal ehrlich ist, was den Menschen und die unzähligen Wege angeht, die wir falsch gehen, die abertausenden von schlechten Wegen, auf denen wir wandeln.

Ein weiterer Vorzug der Bibel ist, dass ihre Autoren genau wissen, woher all diese Funktionsstörungen kommen. Das Buch der Richter zeigt deutlich, dass das darin beschriebene moralische Chaos darauf zurückzuführen ist, dass es im Volk keine „moralische“ Führung mehr gibt. Als die Richter verschwanden, wurde das Gesetz nicht mehr gelehrt und durchgesetzt, und so verfiel das Volk in ein fürchterliches Verhalten. Ohne Ruder und ohne Kapitän zerschellt das Schiff einfach an den Felsen. Die letzte Zeile des Buches der Richter bringt die geistliche Situation auf den Punkt: „In jenen Tagen gab es noch keinen König in Israel; jeder tat, was ihm gefiel.“ Ich würde dies nicht unbedingt als eine Befürwortung von Königen im politischen Sinne interpretieren, sondern eher als eine Befürwortung von Führung im moralischen Sinne. Eine gesunde Gesellschaft braucht Führungspersönlichkeiten – politisch, wirtschaftlich, kulturell, religiös usw. -, die von einem ausgeprägten Sinn für objektive moralische Werte beseelt sind und sich über rein subjektive Eigeninteressen erhoben haben. Die Verfasser der Heiligen Schrift wussten, dass die schrille Durchsetzung eigener privater Vorrechte, wie sie heute zur Schau gestellt wird, von Grund auf pubertär und moralisch verhängnisvoll für jede menschliche Gemeinschaft ist. Deshalb sind die Helden der Bibel niemals diejenigen, die „sich selbst finden“, sondern vielmehr diejenigen, die auf die Stimme Gottes hören und dem Auftrag, den Gott ihnen erteilt hat, gehorsam bleiben. Allerdings bedient sich die Bibel, wie so oft, der Übertreibung und Überzeichnung, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen, ähnlich wie Flannery O’Connor in ihren makabren Geschichten. Die fast schon karikierte Gewalt, die im Buch der Richter dargestellt wird, ist also als Warnung an eine Gesellschaft wie die unsere gedacht, die zunehmend die moralische Orientierung verliert: Ihr seid vielleicht noch nicht am Ziel, aber der Weg, den ihr eingeschlagen habt, führt euch dorthin. Wenn du dich das nächste Mal fragst, warum die Welt in einem so prekären Zustand ist, erinnere dich an die letzten Zeilen des Buches der Richter: „Jeder tat, was ihm gefiel.“

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Bischof Robert Barron

Bischof Robert Barron Der Artikel erschien ursprünglich bei wordonfire.org. Nachdruck mit Genehmigung

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