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Jul 18, 2023 358 0 Bischof Robert Barron, USA
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Inklusion und Liebe

Neulich hatte ich das Privileg, an einer der Anhörungssitzungen für die kontinentale Phase des Synodalen Weges teilzunehmen. Die Grundlage für unsere Diskussion war ein langes Dokument, das der Vatikan erstellt hatte, nachdem er Daten und Zeugnisse aus der ganzen katholischen Welt zusammengetragen hatte. Da ich mich mit dem Thema Synodalität beschäftigt und darüber gesprochen hatte, konnte ich den Meinungsaustausch sehr genießen. Aber ich fühlte mich zunehmend unwohl bei zwei Wörtern, die in dem Dokument eine wichtige Rolle spielen und die einen Großteil unserer Diskussion beherrschten – nämlich „Inklusion“ und „einladend“.

Immer wieder hören wir, dass die Kirche zu einem offeneren und einladenderen Ort für viele Gruppen werden muss: für Frauen, LGBT+-Menschen, Geschiedene und zivil Wiederverheiratete usw. Aber ich habe noch keine genaue Definition der beiden Begriffe gefunden. Wie genau würde eine einladende und integrative Kirche aussehen? Würde sie immer auf alle zugehen, im Sinne von einladen? Wenn dem so ist, dann scheint die Antwort eindeutig ja zu sein. Würde sie immer alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit oder Sexualität, mit Respekt und Würde behandeln? Wenn dem auch so ist, lautet auch hier die Antwort ja. Würde eine solche Kirche immer ein offenes Ohr für die Anliegen aller Menschen haben? Ebenfalls ja. Aber würde eine Kirche, die diese Eigenschaften aufweist, niemals eine moralische Herausforderung für diejenigen darstellen, die eintreten wollen? Würde sie das Verhalten und die Lebensentscheidungen eines jeden, der sich um Aufnahme bewirbt, hinnehmen? Würde sie tatsächlich ihre eigene Identität und Strukturierungslogik aufgeben, um allen und jedem, der sich meldet, entgegenzukommen? Ich hoffe, dass die Antwort auf all diese Fragen ein klares Nein ist. Die Zweideutigkeit der Begriffe ist ein Problem, das einen Großteil des Synodalen Weges unterminieren könnte.

Um diese Frage zu klären, würde ich vorschlagen, dass wir nicht so sehr auf die uns umgebende Kultur der Gegenwart, sondern auf Jesus Christus schauen. Seine Haltung des radikalen Willkommens zeigt sich nirgendwo deutlicher als in seiner Gemeinschaft des offenen Tisches, d.h. in seiner konsequenten Praxis, nicht nur mit den Gerechten zu essen und zu trinken, sondern auch mit Sündern, mit Pharisäern, Zöllnern und Prostituierten. Diese Mahlzeiten der heiligen Gemeinschaft verglich Jesus sogar mit dem Festmahl des Himmels. Während seines gesamten öffentlichen Wirkens hat sich Jesus an diejenigen gewandt, die als unrein oder böse galten: an die Frau am Brunnen, den blind geborenen Mann, an Zachäus, die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, den Dieb, der an seiner Seite gekreuzigt wurde, usw. Also steht es außer Frage, dass er gastfreundlich, gnädig und ja, einladend zu allen war.

Ebenso war diese Einladung des Herrn eindeutig und konsequent von seiner Aufforderung zur Umkehr begleitet. In der Tat ist das erste Wort aus dem Mund Jesu in seiner ersten öffentlichen Rede im Markusevangelium nicht „Willkommen!“, sondern „Kehrt um!“ Zu der Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, sagte er: „Geh hin und sündige nicht mehr“;
Zachäus versprach nach der Begegnung mit dem Herrn, seinen sündigen Lebenswandel zu ändern und seine Missetaten großzügig zu entschädigen. In der Gegenwart Jesu bekannte der gute Dieb seine eigene Schuld; und der auferstandene Christus zwang den Obersten der Apostel, der ihn dreimal verleugnet hatte, dreimal seine Liebe zu bekräftigen.

Mit einem Wort, es gibt ein bemerkenswertes Gleichgewicht im pastoralen Wirken Jesu zwischen Annahme und Herausforderung, zwischen Zuwendung und Aufforderung zur Veränderung. Deshalb würde ich den Ansatz Jesu nicht einfach als „inklusiv“ oder „einladend“, sondern vielmehr als liebevoll bezeichnen. Thomas von Aquin erinnert uns daran, dass zu lieben bedeutet, „das Wohl des anderen zu wollen“. Wer also wirklich liebt, der streckt zwar seine Hand aus, aber er zögert auch nicht, wenn nötig zu korrigieren, zu warnen und sogar zu verurteilen. Mein Mentor, Kardinal Francis George, wurde einmal gefragt, warum er die Stimmung, die hinter dem Lied „All are welcome (Alle sind willkommen)“ steht, nicht mag. Er antwortete, dass es die einfache Tatsache übersieht, dass wohl alle in der Kirche willkommen sind, aber „zu den Bedingungen Christi, nicht zu ihren eigenen“.

Eine allgemeine Sorge, die ich habe und die eng mit der häufigen Verwendung der Begriffe „einladend“ und „Inklusion“ zusammenhängt, betrifft den Triumph von Gefühlen und Befindlichkeiten über die Doktrin, über die Anthropologie und echte theologische Argumente; oder, um es etwas anders auszudrücken, die Tendenz zur Psychologisierung von zur Debatte stehenden Fragen. Die Kirche verbietet homosexuelle Handlungen nicht, weil sie eine irrationale Angst vor Homosexuellen hätte; sie verweigert auch nicht die Kommunion für Menschen in irregulären Ehen, weil es ihr Spaß machen würde, exklusiv zu sein; noch verbietet sie die Frauenordination, weil mürrische alte Männer an der Macht Frauen einfach nicht ausstehen können. Für jede dieser Positionen führt sie Argumente an, die sich auf die Heilige Schrift, die Philosophie und die theologische Tradition stützen, und jede dieser Positionen wurde durch die verbindliche Lehre der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Papst bestätigt.
Alle diese festen Lehren in Frage zu stellen, weil sie nicht mit dem Kanon unserer heutigen Kultur im Einklang sind, würde die Kirche in eine echte Krise bringen. Und ich bin überzeugt, dass diese Erschütterung der Fundamente nicht das ist, was Papst Franziskus im Sinn hatte, als er eine Synode zur Synodalität einberief.

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Bischof Robert Barron

Bischof Robert Barron Der Artikel erschien ursprünglich bei wordonfire.org. Nachdruck mit Genehmigung

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