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Sep 22, 2023 233 0 Shalom Tidings
Begegnung

Gequetscht aber nicht gebrochen

Diese Familiengeschichte erscheint wie ein schlechter Film, aber das Ende wird dich sicher überraschen

Unsere Geschichte beginnt zu Hause in San Antonio, Texas, wo ich mit meinen beiden jüngeren Brüdern Oscar und Louis aufgewachsen bin. Papa war der Kantor in unserer Kirche, während Mama Klavier spielte. Unsere Kindheit war glücklich – alles drehte sich um die Kirche und Familie, und meine Großeltern wohnten in der Nähe. Wir dachten, dass alles in Ordnung war, aber als ich in der sechsten Klasse war, erzählten uns Mama und Papa, dass sie sich scheiden ließen. Zunächst wussten wir nicht, was das bedeutete, da bisher niemand in meiner Familie geschieden worden war, aber schon bald fanden wir es heraus. Wir wurden von Haus zu Haus geschoben, während sie um das Sorgerecht kämpften.

Ungefähr ein Jahr später verreiste mein Vater übers Wochenende. Meine Brüder und ich sollten bei unserer Mutter sein, aber in letzter Minute kamen wir bei Freunden unter. Wir waren überrascht, als Papa früher nach Hause flog und uns abholte, aber am Boden zerstört, als er uns sagte, warum. Mama wurde tot in ihrem Auto auf einem verlassenen Parkplatz gefunden. Offenbar hatten zwei Männer sie mit vorgehaltener Waffe bedroht und ihre Handtasche und ihren Schmuck gestohlen. Dann vergewaltigten die beiden sie auf dem Rücksitz, bevor sie ihr dreimal ins Gesicht schossen und sie auf dem Boden ihres Autos sterben ließen. Als Papa es uns erzählte, konnten wir es nicht fassen. Warum sollte jemand Mama töten wollen? Wir fragten uns, ob sie hinter uns her sein würden. Die Angst wurde Teil unseres jungen Lebens.

Die Nachwehen

Nach der Beerdigung versuchten wir zu einem normalen Leben mit Papa zurückzukehren, aber ich musste feststellen, dass für Opfer schwerer Straftaten die Normalität nicht wiederkehrt. Vater hatte ein Baugeschäft. Ein Jahr nach dem Mord unserer Mutter, wurde Vater mit zwei seiner Angestellten verhaftet und wegen Mordes und Anstiftung zum Mord angeklagt, weil er diese beiden Männer beauftragt hatte, Mutter zu töten. Alle drei gaben sich gegenseitig die Schuld. Einer der Angestellten behauptete, er habe zufällig gehört, wie mein Vater den anderen Mann für den Mord angeheuert habe. Vater beteuerte seine Unschuld, und wir glaubten ihm, aber seine Kaution wurde abgelehnt, und alles änderte sich für uns. Als Mutter getötet wurde, waren wir die Kinder des Opfers. Die Menschen, vor allem in der Kirche, wollten uns in diesem Prozess helfen. Sie waren großzügig und freundlich. Aber nachdem Vater verhaftet worden war, wurden wir plötzlich anders behandelt. Es ist ein Stigma, das Kind eines Straftäters zu sein. Die Leute betrachteten uns wie beschädigte Ware, aus der nichts werden würde.

Wir zogen bei meiner Tante und meinem Onkel ein, und ich begann die Highschool in Austin, aber wir besuchten weiterhin unseren Vater im Bezirksgefängnis, weil wir ihn liebten und an seine Unschuld glaubten. Zweieinhalb Jahre später wurde Vater endlich vor Gericht gestellt. Es war wirklich schwer für uns, all die Details zu sehen, die in den Nachrichten verbreitet wurden, besonders für mich, weil ich den selben Namen trug. Als er schuldig gesprochen wurde, waren wir am Boden zerstört, vor allem, als er zum Tode verurteilt und nach Huntsville überführt wurde, um dort auf seine Hinrichtung zu warten. Als Angehöriger eines Häftlings ist es, als ob dein Leben stillsteht.

Schockierendes Geständnis

Während meines Abschlussjahres am College gab es eine neue Entwicklung in dem Fall. Die Sekretärin des Bezirksstaatsanwalts enthüllte, dass der Staatsanwalt Beweise gefälscht hatte, um die Schuld von Vater zu beweisen. Wir hatten immer an Papas Unschuld geglaubt, also waren wir überglücklich. Vater wurde aus dem Todestrakt entlassen und in das Bezirksgefängnis zurückgeschickt, um auf einen neuen Prozess zu warten, der vier Jahre später stattfand. Meine Brüder und ich sagten für ihn aus, und die Geschworenen befanden ihn des Kapitalverbrechens für nicht schuldig, was bedeutete, dass er nicht hingerichtet werden würde. Ich kann die Erleichterung nicht in Worte fassen, die ich empfand, als ich wusste, dass ich Papa nicht auf diese Weise verlieren würde. Sie befanden ihn jedoch eines minder schweren Mordes für schuldig, der mit einer lebenslangen Haftstrafe verbunden war. Trotzdem wusste jeder, dass er bald auf Bewährung entlassen werden würde. Wir hatten in all den Jahren alles getan, um Vater nach Hause zu holen, und so freuten wir uns, dass es bald soweit war und er bei meiner Familie leben würde.

Als ich ihn vor seiner Entlassung besuchte, bat ich ihn, einige Fragen zu klären, die während des Prozesses aufgetaucht waren. Er sagte, ich könne ihn alles fragen, aber als ich zu dieser speziellen Frage kam, sah er mir direkt ins Gesicht und sagte: „Jim, ich habe es getan, und sie hatte es verdient.“ Ich war geschockt. Er gab es zu, und es tat ihm nicht einmal leid, was er getan hatte. Er gab Mama die Schuld. Er glaubte, dass er das Opfer war, weil er im Gefängnis war. Ich war wütend. Ich wollte, dass er wusste, dass er nicht das Opfer war. Meine Mutter, die beerdigt worden war, war das Opfer. Ich kann nicht beschreiben, wie betrogen wir uns alle fühlten, weil er uns die ganze Zeit über belogen hatte. Es fühlte sich an, als würden wir alle zum ersten Mal um Mama trauern, denn als Papa verhaftet wurde, drehte sich alles nur noch um ihn. Meine Familie legte Widerspruch gegen seine Bewährung ein, so dass der Bewährungsausschuss sie ablehnte. Ich besuchte ihn erneut im Gefängnis, um ihm zu sagen, dass er zurück ins Staatsgefängnis gehen würde, nicht in den Todestrakt, wo er vor anderen Häftlingen sicher war, sondern in ein Hochsicherheitsgefängnis für den Rest seines Lebens. Ich sagte ihm, dass er keinen von uns jemals wieder sehen würde. Wir hatten ihn all diese Jahre besucht, ihm geschrieben und Geld auf sein Gefängniskonto eingezahlt. Er war ein großer Teil unserer Leben gewesen, aber nun kehrten wir ihm den Rücken zu.

Vom Haken lassen

Nach vier Jahren ohne Kontakt, begann ich wieder, meinen Vater im Gefängnis zu besuchen. Inzwischen hatte ich selbst einen Sohn, und ich konnte mir nicht vorstellen, ihm jemals weh zu tun, vor allem, nachdem ich erfahren hatte, dass Vater die Männer auch angeheuert hatte, um mich und meine Brüder ebenfalls zu töten. Ich wollte ein paar Antworten, aber das erste, was er tat, war, sich bei mir zu entschuldigen für das, was er meiner Mutter, meinen Brüdern und mir angetan hatte. Er war ein Mann, der sich niemals für irgendetwas entschuldigt hatte. Ich konnte es nicht glauben, aber ich lernte, dass man zu heilen beginnt, wenn man hört, dass jemand sagt, dass es ihm leidtut. Das Nächste, was er sagte, war: „Jim, ich habe mein Leben Gott übergeben und bin Christ geworden, nachdem ich im Gefängnis den Tiefpunkt erreicht hatte.“

Im nächsten Jahr besuchte ich meinen Vater einmal im Monat. Während dieser Zeit machte ich einen Vergebungsprozess durch. Auf den ersten Blick scheint es unmöglich zu sein, seinem Vater den Mord an seiner Mutter zu verzeihen. Ich arbeite mit vielen Opfern von Straftaten. Was ich aber feststellte, ist, dass wenn du einem Straftäter oder jemandem, der dich verletzt hat, nicht verzeihst, du verbittert, wütend und depressiv wirst. Ich wollte nicht mehr, dass mein Vater Kontrolle über mich hatte, also habe ich ihm vergeben, nicht um ihn vom Haken zu lassen, sondern um mich selbst vom Haken zu lassen. Ich wollte nicht dieser verbitterte, wütende, depressive Mann sein. In diesem Prozess der Versöhnung setzte ich mich für meine Mutter ein, der man die Stimme genommen hatte. Im Laufe dieses Jahres, als wir über Probleme sprachen, sah ich, wie sich das Leben meines Vaters veränderte.

Etwa ein Jahr, nachdem ich den Kontakt wieder aufgenommen hatte, erhielt ich einen Anruf vom Gefängniskaplan, der mir mitteilte, dass mein Vater ein Hirnaneurysma erlitten hatte. Er war hirntot, so dass wir die Entscheidung treffen mussten, die lebenserhaltenden Maßnahmen abzuschalten, was sich einfacher anhört, als es war. Trotz allem liebte ich ihn immer noch. Wir forderten seinen Leichnam an, damit wir nicht auch noch unseren Vater auf Gefängnisgelände begraben wissen mussten. Wir waren überrascht, den Gefängnisdirektor und den Gefängniskaplan bei der Beerdigung zu sehen, und sie sagten uns, dass zum ersten Mal die Genehmigung erteilt worden war, einen Gedenkgottesdienst für unseren Vater in der Gefängniskapelle abzuhalten. Als wir daran teilnahmen, saßen wir in der ersten Reihe, während 300 Häftlinge hinter uns saßen, umgeben von Wärtern. Während der nächsten drei Stunden traten die Männer einer nach dem anderen ans Mikrofon, sahen uns direkt ins Gesicht und erzählten uns ihre Geschichten, wie sie sich Christus zugewandt hatten, weil Papa seinen Glauben mit ihnen geteilt und ihr Leben verändert hatte. Indem er seine schlechten Taten zugab und bereute, die Verantwortung für sein Handeln übernahm und Gott um Vergebung bat, hatte er sein Leben in eine neue Richtung gelenkt. Wenn man das von einer Person hört, ist das schon stark, von 300 aber ist es überwältigend.

Ich begann, in Kirchen, Gefängnissen und Programmen zur Wiedergutmachung zu sprechen – vor Opfern und Tätern, die sich rehabilitieren wollen, und erzählte ihnen die Geschichte der Wiederherstellung nach einem Vergebungsprozess. Ich habe immer wieder erlebt, wie sich Menschen verändern können. Wenn ich unsere Geschichte erzähle, kann ich unsere beiden Eltern ehren – Mama für den positiven Einfluss, den sie auf unser Leben hatte, und Papa für seine Entscheidung, seine Sünden wirklich zu bereuen. Das Ende unserer Geschichte ist, dass wir sehen konnten, wie Gott sogar furchtbare Situationen in etwas Gutes verwandeln kann. Was wir über Reue und Vergebung gelernt haben, hat uns zu viel besseren Ehemännern und Vätern gemacht, weil wir unseren Familien bewusst etwas Besseres geben wollen. Wir haben durch bittere Erfahrungen gelernt, dass man, um wirklich Buße zu tun, immer wieder Buße tun muss, und dass man, um wirklich zu vergeben, immer wieder vergeben muss, nicht nur einmal, sondern ständig.

Der Artikel basiert auf dem Zeugnis von Jim Buffington und seinen Brüdern in der Shalom World Sendung "Siebzig mal sieben". Um die Folge zu sehen, besuche: shalomworld.org/episode/forgiving-their-mothers-murderer

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