Startseite/Engagieren/Artikel

Mrz 27, 2021 1001 0 Sean Booth, UK
Engagieren

Der Heimgang

Es gibt zwei Dinge im Leben, die sicher sind: den Tod und die Ewigkeit. Entscheide dich heute, wo willst du sie verbringen willst?

Man sagt, die einzigen zwei sicheren Dinge im Leben seien der Tod und die Steuern. Aber nachdem ich mein Arbeitsleben in der Baubranche verbracht habe und dort Leute kennenlernte, die ihr Geld mit Drogenhandel verdient haben, weiß ich sicher, dass das Zitat nur zur Hälfte stimmt. Der Tod erwartet uns einmal alle. Die meisten denken nur selten darüber nach, bis sie dazu gezwungen werden. Wir konzentrieren uns lieber auf die sterblichen, zeitlichen Körper und vergessen auf unsere ewigen Seelen. Aber die Ewigkeit ist real, und jetzt ist es an der Zeit zu entscheiden, wo wir sie verbringen wollen.

Vor ein paar Jahren hatte ich das Privileg, ehrenamtlich bei den Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Teresa in einem Heim für Arme, Kranke und Sterbende in Kalkutta, Indien, zu arbeiten. Mutter Teresa sagte: „Ein schöner Tod ist, wenn Menschen, die wie Tiere gelebt haben, wie Engel sterben.“ Ich hatte das Glück, einen solchen Tod bei meinem ersten Besuch in Indien hautnah zu erleben.

Ich wohnte bei Ordensbrüdern, als wir eines Nachts die Nachricht erhielten, dass die Oberin Schwester Nirmala, Mutter Teresas Nachfolgerin, gestorben war. Die Gemeinschaft war in Trauer. In der Nacht betete ich, und spürte plötzlich, wie sich der Nachthimmel veränderte. Es war, als würde sich der Himmel öffnen, um diese heilige und treue Frau zu empfangen. Seltsamerweise hatte ich den Eindruck, dass diese „Öffnung“ nicht nur Sr. Nirmala galt, sondern noch jemand anderem, der bald sterben würde. Ich fühlte in meinem Geist, dass jemand in dem Heim, in dem ich als Freiwilliger arbeitete, am nächsten Tag sterben würde. Ich schrieb es sogar in mein Tagebuch. In dieser Nacht schlief ich unruhig.

Am nächsten Morgen, nachdem ich die Heilige Messe besucht und beim Betreten des Heimes gebetet hatte, ging ich sofort zu den beiden schwerstkranken Männern, um mich zu vergewissern, dass sie noch lebten. Zum Glück waren sie am Leben. Ich machte mich wie üblich an meine Arbeit. Doch schon bald nahm mich eine der Schwestern zur Seite und fragte, ob ich wisse wie man betet. Ich sagte: „Ja.“

Sie brachte mich zu einem Mann, von dem sie glaubte, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, und bat mich, mit ihm zu beten. Ich setzte mich an sein Bett, legte meine Hand auf sein Herz und begann zu beten. Seine Augen starrten an die Decke, und ich spürte, dass er sich völlig aufgegeben hatte. Er hatte so viel Gewicht verloren, dass sein Gesicht abgemagert und seine Wangen hohl geworden waren. Seine Augen waren so eingefallen, dass sich die Tränen in den Augenwinkeln sammelten und nicht mehr über die Wangen laufen konnten. Mir tat das Herz weh. Während ich betete, konnte ich sehen, wie sich die Hand, die ich auf seine Brust gelegt hatte, mit jedem Atemzug langsamer und langsamer auf und ab bewegte. Sein Leben entglitt mir. Aufgewühlt begann ich, Gott zornige Fragen zu stellen: Hat dieser Mann eine Familie und wenn ja, wo sind sie? Warum sind sie nicht hier? Wissen sie, was aus diesem Mann geworden ist? Ist es ihnen egal? Kümmert sich irgendjemand darum?

Plötzlich hörte ich Trommelschläge aus dem Hindu-Tempel nebenan, einem Tempel, der der Göttin Khali (der Göttin des Todes) geweiht ist. Die Trommeln wurden immer lauter. Ich spürte, dass ein Kampf um die Seele dieses Mannes tobte. Als ich sah, wie er seinen letzten Atemzug tat, schloss ich meine Augen und weinte.

Aber als ich sie wieder öffnete, fand ich plötzlich die Antworten auf meine zornigen Fragen.  Ohne dass ich es bemerkt hatte, hatten sich auch zwei der Schwestern, ein Bruder und ein weiterer Freiwilliger um das Sterbebett versammelt und beteten in Stille für ihn. Kümmerte sich jemand? Ja natürlich! Wo war seine Familie? Genau hier, um für ihn zu beten – die Familie Gottes! Ich brach in Tränen aus und bedauerte, dass ich Gott in Frage gestellt hatte, aber ich war auch erfüllt von Ehrfurcht und Dankbarkeit für seine unendliche Güte und Barmherzigkeit. Ich konnte mir in der Stunde meines eigenen Todes nichts Besseres wünschen, als von Menschen umgeben zu sein, die inbrünstig und liebevoll für meine Errettung beten. Als ich meine Augen schloss, um weiter zu beten, sah ich ein Bild des verstorbenen Mannes, der in strahlendes Weiß gekleidet war und auf Jesus zuging. Jesu Arme waren weit geöffnet, er erwartete den Mann und schloss ihn dann mit großer Liebe in seine Arme. Es war atemberaubend schön.

Aber Gott hatte an diesem Tag noch mehr Licht für mein Herz. Während meine Hand immer noch auf der Brust des toten Mannes lag, öffnete ich meine Augen und sah einen anderen Mann im Bett liegen, der seine Hose beschmutzt hatte. Niemand sonst hatte ihn bemerkt, also musste ich eine Entscheidung treffen: Ich konnte weiter für einen Mann beten, von dem ich nun glaubte, dass er bei Jesus war, oder ich konnte aufstehen und helfen, die Würde eines anderen Mannes wiederherzustellen. Es war eine einfache Entscheidung. Ich stand sofort auf, reinigte den bettlägerigen Mann und zog ihm frische Kleidung an. Was ich leise in meinem Herzen hörte, war: „Das Leben geht weiter.“

Wer Jesus nachfolgt, weiß, dass er keine Angst vor dem Tod haben braucht. Im Gegenteil, für uns Christen sollte der Tod etwas Aufregendes sein. Paulus sagt mit Überzeugung: „Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,38-39)

Ja, das Leben geht weiter, aber für jeden von uns wird es auch eines Tages enden. Unsere Zeit hier ist kurz, und die Ewigkeit ist lang. Halten wir es deshalb mit dem Heiligen Paulus: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt.“ (Phil 3,13-14)

Teilen:

Sean Booth

Sean Booth ist Mitglied der Lay Missionaries of Charity aus Manchester, England, und studiert derzeit am Maryvale - Institut in Birmingham, England, den Bachelor of Divinity.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Artikel