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Jan 15, 2020 1005 0 Erin Daly
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Ad Oratio Ein vertrauter Gott

Ich saß vor dem Allerheiligsten Altarsakrament mit einem schweren Herzen, ermattet von emotionalen Schlägen, die ich in der vergangenen Woche einstecken musste. Ich ging gedanklich meine drohende Kündigung durch und alles, was sie mit sich bringen würde: Schuldgefühle, weil ich in einem Job hängengeblieben war, der mich eigentlich nicht interessierte; Erkenntnis, dass ich eine Veränderung in meiner Karriere brauchte und ich fragte mich, ob ich in der Stadt, in der ich gegenwärtig lebte, bleiben könnte oder wegziehen sollte. Mein Leben fühlte sich an, als ob es zu einem plötzlichen Ende, zu einer Bruchlandung, gekommen wäre.

All diese Gefühle überkamen mich, als ich vor Jesus saß, und ich war müde. Körperlich und geistig, emotional ausgelaugt – nicht nur von der Last dieser Probleme, sondern auch von dem Tribut, welchen diese meinem geistlichen Leben abverlangten. Ich ging nicht mehr mit Begeisterung zur Messe und zur Anbetung. Ich konnte mich nicht mehr auf meine ganz gewöhnlichen Gebete konzentrieren. Alles, was ich Jesus anbieten konnte, waren meine Ängste und meine halbherzigen, zerstreuten Gebetsübungen. Ich fühlte mich vor meinem Geliebten wie eine armselige Liebende. Er hätte soviel mehr verdient! Dies war nicht genug.

Und in diesem Moment der Verzweiflung und Gebrochenheit in der Gegenwart des Herrn, wurde mir die Bedeutung des Wortes „Adoration“ wunderbar und drastisch bewusst. Vor ein paar Jahren lernte ich anlässlich eines Studienprogrammes des damaligen Priesters Robert Barron (nunmehr Bischof Robert Barron der Erzdiözese von Los Angeles), dass das Wort „Adoration“ aus dem Lateinischen kommt „ad oratio“, was wörtlich übersetzt „Mund zu Mund“ bedeutet. Als ich das hörte, verschlug es mir den Atem. Mund zu Mund mit Jesus. Überleg dir, was das bedeutet! Mund zu Mund bedeutet einen Kuss, eine Geste der Liebe und der Lieblichkeit. Mund zu Mund kann aber auch eine lebenserhaltende Maßnahme sein – der Atem des einen holt jenen zurück, der in Todesgefahr ist, oder stärkt ihn. In einem dieser Zusammenhänge steht die Mund zu Mund-Geste, keinesfalls ist sie Zufall. Es ist keine Gelegenheitsgeste oder eine bedeutungslose Handlung. Sie ist intuitiv, persönlich und angetrieben von einem intensiven Gefühl: entweder von Liebe oder von Verzweiflung.

Es ist erschütternd. Es lässt uns den Atem stocken und vielleicht zurück scheuen. Aber das ist die Vertrautheit, die sich Jesus mit uns ersehnt. Es sind diese kostbaren Augenblicke in der Anbetung, die wir von Angesicht zu Angesicht, von Mund zu Mund, mit Jesus verbringen, so inniglich, dass Er Seine Liebe großzügig über uns ausgießt, mit einem Kuss, so nah, dass Er uns anhauchen und in uns einhauchen kann.

An jenem Tag also erinnerte ich mich an die Bedeutung des Wortes „Adoration“ und ich rang nach Luft wegen der Innigkeit dieser Handlung; so nahe war ich meinem Geliebten! Aber was mich noch mehr mitgenommen hatte, war diese selbstvergessene Liebe Seinerseits. Bei der Anbetung geht es darum, Jesus zu ehren und zu feiern. Verschiedene Gesten bei der Aussetzung ziehen alle Register, damit wirklich gewährleistet ist, dass IHM die gebührende Hochachtung erwiesen wird – Weihrauch, spezielle Gewänder und wunderbare Gesänge. Es gibt verschiedene Weisen und Anordnungen, um den Altar besonders für die Anbetung zu schmücken. Ich habe Menschen gesehen, die sich auf den Boden legten und ihn küssten, wenn sie in eine Anbetungskapelle kamen. Jesus in der Eucharistie ist eine große Sache, das Zentrum unserer Aufmerksamkeit und unserer Zuneigung, wann immer wir uns in Seiner Gegenwart befinden.

Für Jesus geht es in der Anbetung ganz um uns – uns zu lieben, uns wiederherzustellen, uns zu trösten, uns zu heilen. Wir kommen „ad oratio“, Mund zu Mund mit Ihm, um Ihn zu ehren, aber auch um uns von Ihm lieben zu lassen. Diese Liebe ist der Grund, weshalb sich Jesus in der Eucharistie zurückgelassen hat, damit Er uns ganz nahe bleiben kann. Und diese Liebe und Sehnsucht nach Nähe hängt nicht von uns ab. Jesus wünscht dies immer. Er will das immer. Sogar, wenn wir schmutzig sind – eben wie eine Mutter, die nicht zögert, ihrem dreckigen Kind einen Kuss aufzudrücken. Er wartet auf uns mit der immer gleichen brennenden Sehnsucht und Liebe, unabhängig davon, ob wir dessen würdig sind, unabhängig von unseren Fähigkeiten, Ihm diese Liebe zu vergelten.

Ich kann mich erinnern: als ich IHM an diesem Tag in der Anbetung begegnet bin, musste ich mir keine Sorgen darüber machen, ob ich eine gute Geliebte war oder nicht.Seine einzige Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, mich „ad oratio“ zu bringen, mich zu lieben und zu heilen. Obwohl ich das Gefühl hatte, dass ich Ihm nichts zurückgeben konnte. Er kümmerte sich nicht darum; Er kümmerte sich nur um mich.

Das ist bedingungslose Liebe – wenn du deine Liebe in Verzweiflung siehst und dabei nicht denkst „sie liebt mich nicht, sie dient mir nicht gut genug“, sondern „sie ist verletzt, ich möchte für sie da sein.“

So sieht Jesus einen jeden von uns an, wenn wir uns Ihm in der Eucharistie nahen. Welch süße Erleichterung es wäre, wenn wir wüssten, dass bei uns nicht alles perfekt sein muss, um zu Ihm kommen zu können! Wir müssen nicht mit liebebrennendem Herzen und wunderbaren Gefühlen zu Ihm kommen, oder einer Zunge, die mühelos die wunderbarsten Gebete formulieren kann. Er akzeptiert auch unsere schmerzenden Herzen und gebrochenen Gebete. Das ist genug für Ihn – auch wenn es für uns nicht so aussehen mag.

Er sehnt sich nach uns gerade in diesen schmerzvollen Augenblicken, wenn Liebe schwierig ist. Er zieht uns immer noch „ad oratio“, in diesen wortlosen Austausch der Blicke, des Atems und der Liebe. Nicht wegen dem, was wir getan haben, sondern wegen dem, wer Er ist.

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Erin Daly

Erin Daly ist Verwaltungsassistentin einer katholischen Pfarrei in Wisconsin. Ihren Glaubensweg erzählt sie auf erinmdaly.com. Ursprünglich erschienen bei YoungCatholicWoman.com. Nachdruck mit Erlaubnis.

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