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Okt 20, 2020 1316 0 Bischof Robert Barron, USA
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Worte der Weisheit: Martin Luther King und die religiöse Motivation für sozialen Wandel

Die Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben, das kann nur das Licht. Hass kann Hass nicht vertreiben, nur Liebe kann das.

Ein Hauptgrund dafür, dass die Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre sowohl moralisch als auch praktisch so erfolgreich war, lag darin, dass sie weitgehend von Menschen mit einer starken religiösen Sensibilität getragen wurde. Der bemerkenswerteste dieser Führer war natürlich Martin Luther King. Um das subtile Spiel zwischen Kings religiösem Engagement und seiner praktischen Arbeit zu würdigen, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Texte lenken, nämlich seinen Brief aus dem Gefängnis von Birmingham und seine Rede „Ich habe einen Traum“, beides aus dem Jahr 1963.

Während er in Birmingham inhaftiert war, da er einen gewaltlosen Protest angeführt hatte, antwortete King einigen seiner christlichen Amtskollegen, die ihn kritisiert hatten, dass er zu schnell vorgegangen wäre, und erwartet hatte, dass der soziale Wandel über Nacht stattfinden würde. Der Baptisten Pastor antwortete seinen Kritikern auf eine vielleicht überraschenden Weise und berief sich dabei auf einen mittelalterlichen katholischen Theologen. King lenkte die Aufmerksamkeit seiner Kritiker auf die Überlegungen des heiligen Thomas von Aquin zum Thema Recht. Insbesondere auf dessen Theorie, dass das positive Recht seine Rechtfertigung im Verhältnis zum Naturrecht findet, welches wiederum seine Rechtfertigung im Verhältnis zum ewigen Gesetz findet. Thomas von Aquin bemerkt, dass das, was ein angewandtes und alltägliches Gesetz rechtschaffen macht, darin besteht, dass es in irgendeiner Weise die Prinzipien des Sittengesetzes zum Ausdruck bringt, die wiederum den eigenen Geist Gottes widerspiegeln. Daher kam King zu dem Schluss, dass ungerechte Gesetze, wie die von ihm angefochtenen Jim-Crow-Regelungen, nicht nur schlechte Gesetze sind; sie sind unmoralisch und schließlich beleidigend für Gott.

Hier sind Kings eigene Worte: „Man kann sich fragen: ‚Wie kannst du dafür eintreten, dass einige Gesetze gebrochen und andere befolgt werden? Die Antwort liegt in der Tatsache, dass es zwei Arten von Gesetzen gibt: gerechte und ungerechte. Ich wäre der erste, der für die Befolgung gerechter Gesetze eintritt. Man hat nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Verantwortung, gerechten Gesetzen zu gehorchen“. Aber dann stellt King dies dem Gehorsam bei einem ungerechten Gesetz gegenüber: „Umgekehrt hat man eine moralische Verantwortung, ungerechten Gesetzen nicht zu gehorchen. Ich würde dem heiligen Augustinus zustimmen, dass ‚ein ungerechtes Gesetz überhaupt kein Gesetz ist‘.“ Und um den Unterschied klarzustellen, beruft er sich auf Thomas von Aquin: „Nun, was ist der Unterschied zwischen den beiden? Wie bestimmt man, ob ein Gesetz gerecht oder ungerecht ist? Ein gerechtes Gesetz ist ein von Menschen gemachtes Gesetz, das im Einklang mit dem Sittengesetz oder dem Gesetz Gottes steht. Ein ungerechtes Gesetz ist ein Kodex, der mit dem Sittengesetz nicht im Einklang steht. Um es in den Begriffen des heiligen Thomas von Aquin auszudrücken: Ein ungerechtes Gesetz ist ein menschliches Gesetz, das nicht im ewigen Gesetz und Naturrecht verwurzelt ist“. Dies ist kein frommer Leitfaden, sondern offenbart vielmehr, was der Bewegung Kings ihre Rechtfertigung und ihren Zweck gab.

Dieselbe Dynamik war sechs Monate später zu spüren, als King zu der Menge sprach, die sich am Lincoln Memorial für den Marsch auf Washington versammelt hatte. Er hielt keine Predigt. Er hielt eine politische Rede und trat in der Öffentlichkeit für soziale Veränderungen ein. Achte auf die Sprache, die er gebrauchte: „Mein Traum ist, dass eines Tages alle Täler erhöht und alle Hügel und Berge erniedrigt, die rauen Stellen geebnet und die krummen Stellen gerade gemacht werden; Dann offenbart sich die Herrlichkeit des HERRN, alles Fleisch wird sie sehen.“ Er setzte die soziale Revolution, für die er eintrat, in direkten Zusammenhang mit der mystischen Vision des Propheten Jesaja. Und hör dir den großartigen Abschluss der Ansprache an, in der er kunstvoll den Text eines amerikanischen patriotischen Liedes mit dem Text eines Liedes vermischt, das er und seine Familie in der Kirche gesungen haben:

„Wenn dies geschieht, und wenn wir erlauben, dass die Glocken der Freiheit läuten und wenn wir sie von jedem Dorf und jedem Weiler, von jedem Staat und jeder Stadt läuten lassen, werden wir diesen Tag schneller erleben, wenn alle Kinder Gottes, schwarzer Mann und weißer Mann, Juden und Christen, Protestanten und Katholiken Hände halten können und die Worte des alten Neger-Spirituals „Endlich frei, endlich frei. Danke Gott, Allmächtiger, endlich frei“ singen.“

Wieder einmal, bei der Rede Kings, verbindet sich das Politische mit dem Moralischen, das sich wiederum in das Heilige einordnet.

Martin Luther King leitete aus seinem religiösen Erbe nicht nur die Metaphysik ab, die seinen sozialen Aktivismus prägte, sondern auch die gewaltlose Methode, die er anwandte. Was Jesus in der Rhetorik der Bergpredigt („Liebt eure Feinde“; „Segnet, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln“; „Schlägt euch einer auf die rechte Wange, so haltet ihm die andere hin“ usw.) und noch eindrucksvoller in seinem Wort der Vergebung vom Kreuz her offenbart, ist, dass Gottes Weg der Weg des Friedens, der Gewaltlosigkeit und des Mitleids ist. Als Christ wusste King im Tiefsten, dass eine gewaltsame Reaktion auf Unterdrückung die Spannungen innerhalb der Gesellschaft nur noch verschärfen würde. Dieses Prinzip fasste er in einer seiner bekanntesten Predigten zusammen: „Die Antwort des Hasses auf den Hass vervielfacht den Hass und fügt einer Nacht, in der es bereits keine Sterne mehr gibt, noch tiefere Dunkelheit hinzu. Die Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben, nur das Licht kann das tun. Hass kann den Hass nicht vertreiben; nur die Liebe kann das tun“.

Innerhalb dieses kurzen Artikels kann ich nicht noch angemessen auf die sozialen Umwälzungen eingehen, die sich heute in unserer Kultur vollziehen. Aber ich möchte Folgendes sagen: Es ist unbestreitbar klar, dass es in unserer Gesellschaft schwerwiegende moralische Defizite gibt, die angegangen werden müssen. Aber der beste Weg, dies zu tun, ist innerhalb eines moralischen und schließlich religiösen Rahmens. Möge das Führungsmodell von Martin Luther King in dieser Hinsicht ein Vorbild sein.

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Bischof Robert Barron

Bischof Robert Barron Der Artikel erschien ursprünglich bei wordonfire.org. Nachdruck mit Genehmigung

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