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Apr 13, 2021 642 0 Sarah Juszczak
Begegnung

Wie kann ich wahrhaft lieben?

Ist Wut oder Groll der einzige Weg, mit Untreue umzugehen? Sarah Juszczak zeigt durch ihre Erfolgsstory den weniger ausgetretenen Pfad auf. 

Das Kennenlernen

Ich komme aus einer netten, italienischen Familie. Ich bin katholisch erzogen worden und aufgewachsen. In meinen Teenagerjahren bin ich zwar sonntags zur Messe gegangen, aber ich habe den Glauben nicht wirklich gelebt.

Als ich sechzehn war, schloss ich mich einer Jugendgruppe an, und dort lernte ich Tomasz kennen. Tom und ich wurden gebeten, gemeinsam ein Jugendwochenende zu leiten, und so verbrachten wir viel Zeit miteinander, um es zu organisieren. Bald darauf fingen wir an, uns zu „daten“. Keiner von uns beiden wollte sich auf etwas festlegen – und so plätscherte unsere Beziehung irgendwie dahin.

Ich war in meinen jüngeren Jahren ziemlich rebellisch, was Tom überhaupt nicht gefiel.  Da er Pole ist, war ihm sein katholischer Glaube wichtig, und er hatte viele traditionelle Werte. Doch keiner von uns beiden kannte seinen Glauben wirklich oder lebte ihn – und weil er die Gründe für seine Werte nicht wirklich verstand, war es für mich nicht schwer, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Es gab keine Klarheit darüber, wohin diese Beziehung führen sollte, und sie war auch nicht die gesündeste, aber es gab Liebe und Sorge füreinander.

Nebel im Glas

Nach fast drei gemeinsamen Jahren fingen Tom und ich an, über Heirat nachzudenken. Tom beendete gerade sein Studium und hatte immer davon geträumt, ein paar Monate durch Europa zu reisen, bevor er einen Vollzeitjob annahm. Ich war sehr unsicher, was das anging, aber etwas in meinem Herzen sagte mir, dass dies wichtig sein würde; diese getrennte Zeit würde uns entweder stärken oder brechen.

Kurz bevor Tom nach Europa aufbrach, nahmen wir zusammen mit unserer Jugendgruppe am Weltjugendtag 2008 in Sydney teil. An diesem Punkt in meinem Leben wurde mir klar, dass sich mein Glaubensleben ändern musste. Ich konnte nicht weiter als „praktische Atheistin“ vor mich hinleben. Ich ging zum Weltjugendtag mit dieser Frage auf meinem Herzen: „Gott, wenn es Dich gibt, zeige Dich mir. Ich möchte Dich kennenlernen.“

Einige Vorträge und Erlebnisse sprachen mich in dieser Woche wirklich an. Als ich schließlich im Zug nach Hause saß und über das Gehörte nachdachte, schlug ich das Pilgerhandbuch auf und fand ein Zitat des Heiligen Augustinus: „Du hast uns zu Dir hin geschaffen, Herr. Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir.“ In diesem Moment übermannte mich ein plötzliches und überwältigendes Bewusstsein von der Gegenwart Gottes. Die Vorzeichen meines Lebens änderten sich. Ich wusste, dass Gott real war und nichts mehr so sein würde wie vorher.

Bald darauf reiste Tomasz nach Europa ab. Ich hatte nun Zeit, die ich vorher nie hatte; ich begann, Vorträge über die Theologie des Leibes zu hören, mehr über das Leben der Heiligen zu lesen und jede Woche eine Stunde vor dem Allerheiligsten zu verbringen. Die sechs Monate, die Tom weg war, waren für mich eine Zeit der Bekehrung. Diese sechs Monate gipfelten darin, dass ich eine Ausbildung zur Jugendleiterin machte. Damals beschloss ich, dass ich alles, was an meiner Lebensweise falsch war, ausmerzen und mein Leben Jesus übergeben wollte.

Der schlimmste Teil?

Als Tomasz in Europa war, fragte ich mich, ob unsere Beziehung nach wie vor funktionieren würde. Er war noch in einer Welt gefangen, die ich nun hinter mir gelassen hatte. Unsere Werte und Prioritäten lagen meilenweit auseinander. Ich brachte es immer wieder vor den Herrn und betete für Tom. Ich versuchte, etwas zu retten. Einmal gelang es mir, ihn zu einem Abstecher nach Lourdes zu überreden. Es war eine kraftvolle Erfahrung für ihn, aber führte zu keiner Veränderung.

Sobald er aus Europa zurückkam, wusste ich, dass wir ein ehrliches Gespräch führen mussten. Wir gingen  Abendessen und ich erzählte ihm, was in meinem Leben derweil passiert war. Ich machte ihm klar, dass sich Einiges in unserer Beziehung ändern musste. Zunächst schien er damit einverstanden zu sein, bis ich ihm sagte, dass er mit der Pornografie aufhören musste. Ohne zu überlegen lautete seine Antwort: „Nein.“ Das war ein ziemlicher Schock für mich. Ich dachte, dass er zumindest offen wäre. Viel später gestand er mir, dass er mit einer realen Pornosucht zu kämpfen hatte, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Wenn der Nebel sich lichtet

Wir erzählten uns weiterhin von unseren Erlebnissen während der Trennung, und Tom wurde klar, dass ich mich verändert hatte. Das beunruhigte ihn.  Als ich ihm sagte, dass ich nach unserer Heirat gerne jeden Tag mit meiner Familie den Rosenkranz beten würde, war seine Abwehr heftig. Ich versuchte, ihn zu hinterfragen, ihn zu ermutigen oder ihm zu erklären, wie ich mein Leben verbringen wollte, wie ich mir mein Familienleben vorstellte, aber er wich mir aus. Er war nicht mehr das Wichtigste in meinem Leben, und das gefiel ihm überhaupt nicht.

Ein Gefühl beschlich mich, dass ich nicht in dieser Beziehung sein sollte, also bat ich den Herrn um eine Antwort. Ich spürte, dass er mich aufforderte, mit Tom Schluss zu machen, aber es war schwierig, weil wir zu tief in dieser Beziehung steckten. Ich versuchte es ein paar Mal, aber Tom wollte das nicht. Ich liebte ihn, ich sorgte mich um ihn und ich war nicht bereit, ihn aus meinem Leben zu entlassen. Ich betete zum Herrn und sagte ihm, dass ich selbst nicht die Kraft hätte diese Beziehung zu beenden, und dass Tom großen Mist bauen müsste, damit ich ihn verlasse, denn ich war mir sehr sicher, dass Tom nichts tun würde, was mich verletzen würde.

Völlig ahnungslos

Eines Abends kam er auf mich zu, und ich konnte sehen, dass er sehr nervös war. Endlich hatte er den Mut gefunden, mir gegenüber offen zu sein. Er gestand, dass er mich betrogen hatte. Ich war am Boden zerstört! Wie konnte er mir so etwas nur antun? Ich hatte ihm vertraut! Wie konnte er mich so dreist hintergehen, ohne mit der Wimper zu zucken? Wie konnte ich nur so ahnungslos sein?

Nach diesem Geständnis musste ich auf einmal so Vieles in Frage stellen. Ich hätte nie gedacht, dass Tom zu so etwas fähig wäre. Ich glaubte immer, ich hätte eine gute Menschenkenntnis. Doch nun stellte sich heraus, dass mein Freund ein notorischer Lügner war, und zwar ein erschreckend guter!

Natürlich habe ich ihn sofort rausgeschmissen. Ich hatte schon immer einen Hang zur Dramatik, also packte ich mitten in der Nacht seine Sachen, und sagte ihm, er solle sie abholen. Ich ließ meiner ganzen Wut freien Lauf und rastete völlig aus. Zu meiner Überraschung versuchte er nicht, sich zu erklären oder zu verteidigen, sondern er brach einfach auf dem Boden zusammen und weinte.

Von Gott umarmt

Es ist schwer, in Worte zu fassen, was in diesem Moment geschah. Als ich Tom weinen sah, löste sich augenblicklich aller Zorn in mir auf. Ich war so bewegt von Mitleid und Liebe, dass ich mich neben ihn kniete und ihn umarmte. Ich kann diesen Moment nur als einen Blick in das Herz des Vaters beschreiben. Ich spürte, wie Gottes Liebe und Barmherzigkeit mich durchströmten, und ich erkannte, dass ich nicht anders war als Tomasz. Gott gab mir Einblick in sein eigenes Herz, als er mich umarmte und mir meine eigene Untreue vergab.

Tomasz beschrieb diese Erfahrung später ähnlich, als ob es Gott war, der ihn in seine barmherzige, liebevolle Umarmung einschloss. Mir fällt es schwer, selbst die kleinsten Dinge zu vergeben, deshalb kam diese Gnade der großherzigen Vergebung für Tomasz definitiv von Gott, nicht von mir.

Schritt für Schritt

Obwohl ich Tom vergeben hatte, wussten wir beide, dass wir getrennte Wege gehen mussten. Tom meinte später, dass die Trennung das Beste war, was ihm passieren konnte. Gott hatte seinen eigenen Weg mit Tom, und er musste diesen Teil ohne mich gehen. Schon auf dem Umweg nach Lourdes hatte er erlebt, dass Gott ihn führte. Schließlich führte Gott ihn direkt zum Beichtstuhl. Als er die Dinge ans Licht brachte, bekam er die Gnade ein ehrlicher Mensch zu werden.

Tomasz bemühte sich bewusst um eine Veränderung in seinem Leben. Er begann, zur Anbetung zu gehen und geistliche Begleitung in Anspruch zu nehmen. Endlich hörte er sich auch die CDs über die Theologie des Leibes an, die ich ihm aufgedrängt hatte.

Tom und ich waren drei Jahre zusammen, bevor wir uns trennten, und wir waren ebenso lange getrennt, bevor Gott uns wieder zusammenbrachte. Während dieser Zeit konnten wir unsere Freundschaft wieder aufbauen. Ich beendete mein Studium und startete eine Karriere im Marketing. Ich dachte auch über meine Berufung nach und war mir ziemlich sicher, dass ich Ordensschwester werden würde. Tom verdiente seinen Lebensunterhalt als Rehabilitationsberater, doch er wurde immer unzufriedener und unruhiger damit. Wir wollten beide ernsthaft den Willen Gottes für unser Leben herausfinden.

Im Jahr 2011 ergab sich für jeden von uns eine separate Gelegenheit, am Weltjugendtag in Madrid teilzunehmen. Beide fuhren wir mit der Absicht hin, dem Plan Gottes für unser Leben zu folgen. Ich hoffte, einen Orden zu finden und Tom überlegte, seinen Job zu kündigen. Er bat Gott ihm zu zeigen, wohin er als nächstes gehen sollte. Nach der Pilgerreise stand sein Entschluss fest, sich für ein Theologiestudium einzuschreiben. Ich hatte keinen Erfolg auf der Suche nach einem Orden. Stattdessen machte ich eine weitere Pilgerreise nach Polen und ertappte mich dabei, dass ich ständig an Tom dachte und daran, dass es mir nicht richtig erschien, seine Heimat ohne ihn zu besuchen.

Kurz nach meiner Rückkehr wurde mir klar, dass ich wirklich über Gottes Willen bezüglich meiner Beziehung zu Tom beten musste, also begann ich eine Novene. Am selben Tag lud Tom mich ein, gemeinsam mit ihm eine vierundfünfzigtägige Rosenkranznovene zu beten – 27 Tage, um für ein bestimmtes Anliegen zu beten und 27 Tage, um dafür zu danken. Ich fügte insgeheim mein zweites Anliegen hinzu, nämlich für unsere Beziehung.

Siebenundzwanzig Tage nach dieser Novene waren Tom und ich auf einer Leiterschafts-Klausur. Tom half, die Klausur zu leiten, während ich in der Küche diente. Ich konnte mir einen seiner Vorträge anhören und war erstaunt, wie sehr er gewachsen war. Er war wirklich ein Mann Gottes geworden. Ich dachte mir: „Dies ist ein Mann, dem ich mich anvertrauen könnte.“ Es stellte sich heraus, dass er unsere Novene für das gleiche Anliegen gebetet hatte. Wir fingen wieder an, uns zu verabreden. Dieses Mal spürte ich vollkommenen Frieden, weil wir beide Gottes Willen suchten – es gab also nichts mehr zu befürchten.

Um es kurz zu machen: Tom und ich verlobten uns am Hochfest Maria Himmelfahrt. Tom wählte dieses Datum nicht nur, weil er die Gottesmutter liebte, sondern weil es ein Hinweis auf das letzte Ziel der Ehe ist: den Himmel. Wir heirateten am Samstag nach Ostern, also am Vorabend des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit, und beteten, dass unsere Ehe Zeugnis von der verwandelnden Kraft der Barmherzigkeit Gottes geben möge. Gott hatte das Durcheinander, das wir beim ersten Mal in unserer Beziehung angerichtet hatten, angenommen und es in etwas völlig Neues verwandelt.

Die Ehe ist eine Verpflichtung, eine Berufung, eine Verbindung. Wenn wir vor dem Altar das Versprechen geben, einander zu lieben, dann gilt das, bis dass der Tod uns scheidet. Das ist wichtig, denn hier lernen wir wirklich etwas über die Liebe. Meistens muss man für seinen Ehepartner nicht so sterben, wie Jesus es für uns getan hat, sondern er ersucht uns nur, jeden Tag zu verzeihen. Die Ehe muss von Vergebung geprägt sein; er sagte, liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Er hat uns vergeben, noch bevor wir uns entschuldigt haben. Gott sagt, wir müssen wie er sein und das ist wahre Liebe. Wenn wir in der Lage sind, zu vergeben, dann ist die Beziehung auf Christus ausgerichtet, und das ist der einzige Weg, wie eine Beziehung Bestand haben kann.

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Sarah Juszczak

Sarah Juszczak Artikel basiert auf einem Interview mit Sarah und Tomasz Juszczak in der Shalom World TV-Sendung "Siebzig mal sieben". Um die Folge zu sehen, besuchen Sie: https://www.shalomworld.org/episode/how-do-you-deal-with-unfaithfulness-in-your-life-sarah-juszczak

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